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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie
Autoren: Karin Fossum
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dann habe ich sie gesehen. Sie torkelte über die Wiese, als ob sie sturzbesoffen wäre. Es war ein Albtraum. Ich konnte nicht begreifen, wieso sie noch lebte.«
    »Und dann?«
    »Sie rief um Hilfe, aber ganz leise. Hatte fast keine Stimme mehr. Und dann hat sie mich entdeckt. Das war seltsam, aber sie hob die Hand und rief um Hilfe. Sie hat mich nicht erkannt.«
    »Du hattest dich umgezogen«, sagte Sejer leise.
    »Ja. Natürlich.« Für einen Moment schwieg er. »Dann sank sie im Gras in sich zusammen. Sie lag nicht da, wo ich sie verlassen hatte. Ich schnappte mir wieder die Hantel und lief auf die Wiese. Bückte mich über sie, und sie starrte mich an. Und da hat sie mich erkannt. Ihre Augen in diesem Moment, die waren einfach unbeschreiblich. Dann rief sie leise etwas Unverständliches in einer fremden Sprache. Vielleicht hat sie gebetet. Und ich habe viele Male zugeschlagen. Ich weiß noch, daß ich mich darüber gewundert habe, daß in einem Menschen soviel Leben stecken kann. Aber endlich war sie dann still.«
    »Die Hanteln, Gøran. Was hast du damit gemacht?«
    »Weiß ich nicht mehr. Vielleicht hab ich sie ins Wasser geworfen.«
    »Du warst also noch einmal beim Norevann?«
    »Nein. Doch. Ich weiß es nicht mehr.«
    »Und dann?«
    »Dann bin ich ziellos durch die Gegend gefahren.«
    »Und dann endlich nach Hause. Erzähl von da an weiter.«
    »Ich hab kurz mit meiner Mutter geredet und geduscht.«
    »Und deine Kleider? Die Trainingssachen?«
    »Die hab ich in die Waschmaschine gesteckt. Und später hab ich sie weggeworfen. Sie wurden nicht sauber.«
    »Denk an diese Frau. Weißt du noch, wie sie gekleidet war?«
    »Irgendwie dunkel.«
    »Und ihre Haare?«
    »Sie kam aus Indien. Die waren sicher schwarz.«
    »Trug sie Ohrringe? Weißt du das noch?«
    »Nein.«
    »Und ihre Hände, mit denen sie dich geschlagen hat?«
    »Braun.«
    »Mit Ringen?«
    »Weiß nicht. Weiß nicht mehr«, murmelte Gøran.
    Er brach über dem Tisch zusammen.
    »Gibst du zu, daß du diese Frau, Poona Bai, getötet hast? Am 20. August, um neun Uhr abends?«
    »Ob ich das zugebe?« fragte Gøran erschrocken.
    Er schien plötzlich erwacht zu sein. »Ich weiß nicht. Sie wollten meine Bilder sehen, und die habe ich Ihnen gezeigt.«
    Sejer musterte ihn ruhig.
    »Was soll ich ins Protokoll schreiben, Gøran? Daß das hier deine Bilder vom Mord an Poona Bai sind?«
    »So ungefähr. Wenn das möglich ist.«
    »Das ist ein wenig ungenau«, sagte Sejer langsam. »Betrachtest du das hier als Geständnis?«
    »Geständnis?«
    Wieder trat dieser Ausdruck des Erschreckens in Gørans Augen.
    »Wie sieht das hier denn für dich aus?« fragte Sejer.
    »Weiß nicht«, sagte Gøran ängstlich.
    »Du hast mir ein paar Bilder gezeigt. Könnten wir die als Erinnerungen bezeichnen?«
    »Das könnten wir sicher.«
    »Deine Erinnerungen vom 20. August. Ein ehrlicher Versuch, das zu rekonstruieren, was zwischen dir und Poona passiert ist.«
    »Ja, vermutlich.«
    »Also, was hast du mir hier gegeben, Gøran?«
    Gøran ließ sich wieder über den Tisch sinken. Voller Verzweiflung biß er sich in den Ärmel. »Ein Geständnis«, gab er zu. »Ich habe ein Geständnis abgelegt.«
     

FRIIS VERSUCHTE SICH ZU BEHERRSCHEN.
    »Ist dir klar, was du da gemacht hast?« fragte er mit heiserer Stimme. »Begreifst du den Ernst der Lage?«
    »Ja«, sagte Gøran. Er döste auf der Pritsche vor sich hin. Tiefe Ruhe erfüllte seinen ganzen Körper.
    »Du hast das schwerstwiegendste Verbrechen von allen gestanden, mit der strengsten Strafe, die es überhaupt gibt. Obwohl die Polizei nicht einen einzigen schlagenden Beweis hat. Es ist noch schwer die Frage, ob sie auf dieser vagen Grundlage überhaupt Anklage erheben können. Und sie müssen eine Jury finden, die bereit ist, dich aufgrund von Mutmaßungen und Gerüchten zu verurteilen.«
    Er lief wütend hin und her.
    »Begreifst du, was du da angerichtet hast?« fragte er.
    Gøran musterte ihn überrascht. »Und wenn ich es nun war?«
    »Was dann? Du hast gesagt, du bist unschuldig. Behauptest du jetzt das Gegenteil?«
    »Das ist mir egal. Vielleicht war ich es ja. Ich habe so viele Stunden in diesem Zimmer gesessen und so viele Gedanken gedacht. Ich weiß nicht, was wahr ist. Alles ist wahr, nichts ist wahr. Ich darf nicht trainieren. Ich komme mir total zugedröhnt vor«, nuschelte er.
    »Sie haben dich unter Druck gesetzt«, sagte Friis sehr ernst. »Ich bitte dich inständig, dein Geständnis zu widerrufen.«
    »Du hättest
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