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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie
Autoren: Karin Fossum
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Ihr Frauen seid so gierig. Sie machte ein seltsames Gesicht und schloß den Mund. Oder bist du nicht gierig, fragte ich. Wenn du dich mit dem alten Gunder zufrieden gibst, dann muß ich doch wohl gut genug sein? Sie sah mich an. Verstand nichts. Machte sich an der Wagentür zu schaffen. Ich sagte, Scheiße, nein, laß die Tür los, aber sie geriet ihn Panik und riß wie besessen daran, und ich dachte, noch so ein hysterisches Frauenzimmer, das nie weiß, was es will. Erst ins Auto, dann wieder raus. Dann fuhr ich weiter. Wir kamen an Gunders Haus vorbei. Sie starrte mich verstört an. Rief und jammerte. Also bremste ich. Sie hatte sich nicht angeschnallt und knallte gegen die Windschutzscheibe. Nicht so hart, aber sie fing an zu schreien.«
    Gøran atmete schwer. Und immer schneller. Sejer sah jetzt den Wagen vor sich, wie er schräg auf der Straße stand, und er sah die schmale Frau, bleich vor Angst, die Hand an der Stirn. Gørans Stimme klang plötzlich anders. Sie wurde monoton, verfiel fast in einen Erzählton. Er richtete sich auf und sah Sejer an.
    »Haben Inderinnen hier unten auch soviel Platz wie die Norwegerinnen, fragte ich und schob ihr die Hand zwischen die Oberschenkel. Sie drehte durch. War außer sich vor Angst. Dann ging die Tür auf und sie fiel raus. Und stürzte auf die Wiese.«
    Und Linda, dachte Sejer, sie nähert sich auf dem Fahrrad, ist vielleicht schon bei der Kurve. Jeden Moment wird sie das Auto entdecken.
    »Ich hab mir ein Gewicht vom Rücksitz geschnappt und bin hinter ihr hergelaufen«, sagte Gøran tonlos. »Ich bin gut in Form. Das Laufen war leicht, das törnte mich an, aber sie war auch schnell, sie huschte wie ein Scheißhase durch das Gras. Ich konnte sie erst am Waldrand einholen. Das war seltsam. Ich sah hinter einem von Gunwalds Fenstern Licht, aber das war mir egal.«
    »Hat sie geschrien?« fragte Sejer.
    »Nein. Sie war mit Laufen beschäftigt. Ich konnte nur ihre Füße im Gras und meinen eigenen Atem hören.«
    »Dann hast du sie eingeholt. Und was dann?«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    »Natürlich weißt du das. Was hast du empfunden?«
    »Ich war wahnsinnig stark. Mein ganzer Körper brannte. Und sie war so erbärmlich.«
    »Erbärmlich?«
    »Alles war erbärmlich. Daß sie zu Jomann wollte. Wie sie aussah. Ihre Kleider und ihr Schmuck. Das ganze Gebammel. Und jung war sie auch nicht mehr.«
    »Sie war achtunddreißig«, sagte Sejer.
    »Das weiß ich. Das hat in der Zeitung gestanden.«
    »Warum hast du zugeschlagen?«
    »Warum? Ich hielt die Hantel in der Hand. Sie krümmte sich zusammen, hielt die Hände über den Kopf und wartete auf den Schlag.«
    »Hättest du umdrehen und gehen können?«
    »Nein.«
    »Ich muß wissen, warum.«
    »Weil ich zu platzen drohte. Ich bekam fast keine Luft mehr.«
    »Hast du viele Male zugeschlagen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Konntest du wieder atmen, als sie zusammengebrochen ist?«
    »Ja, da konnte ich atmen.«
    »Ist sie wieder auf die Beine gekommen, Gøran?«
    »Was?«
    »Hast du mit ihr gespielt?«
    »Nein. Ich wollte es nur hinter mich bringen.«
    »Auf der ganzen Wiese waren eure Spuren. Wir müssen das jetzt klären.«
    »Aber ich weiß nichts mehr.«
    »Dann machen wir weiter. Was hast du getan, als sie endlich still im Gras lag?«
    »Ich bin zum Norevann gefahren.«
    »Was hast du mit deinen Kleidern gemacht?«
    »Ins Wasser geworfen.«
    »Und dann hast du deine Trainingssachen angezogen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Und die Gewichte?«
    »Die lagen im Auto. Das eine war blutig.«
    »Du hattest Wunden im Gesicht. Hat sie dich gekratzt?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Sie hat mir mit den Fäusten auf die Brust geschlagen.«
    »Wie lange warst du beim See, Gøran?«
    »Weiß nicht.«
    »Weißt du noch, was du gedacht hast, als du im Auto saßt und nach Hause gefahren bist?«
    »Das ist schwierig. Ich bin von Lillians Haus weggefahren.«
    »Jetzt schmeißt du wieder Wirklichkeit und Lüge durcheinander.«
    »Aber ich weiß, daß es so war. Ich habe sie im Rückspiegel gesehen. Sie hat mir vom Fenster her zugewinkt, war ein wenig hinter dem Vorhang versteckt.«
    »Warum bist du zum Tatort zurückgefahren?«
    »Bin ich das?«
    »Hattest du etwas verloren? Das du unbedingt wiederfinden mußtest?«
    Gøran schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich war plötzlich in Panik geraten. Dachte, sie lebte vielleicht noch und könnte mich verraten. Also bin ich aufgestanden und zum Auto gegangen. Hab mich hineingesetzt und bin zurückgefahren. Und
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