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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Kranz gesteckt. Sie versuchte nicht einmal, ihre Zähne zu verbergen, sondern lächelte die ganze Zeit überglücklich. Gunders Englisch wurde immer besser. Sie verständigten sich in kurzen Sätzen, gestikulierten und lächelten und verstanden einander vollkommen. Oft vollendete Poona die Sätze, die Gunder gerade angefangen hatte, genauso, wie er das selber wollte. Alles war so leicht. Er erklärte ihr, wann sie die norwegische Staatsbürgerschaft annehmen könnte. Das dauerte einige Jahre. Es ist wirklich nicht einfach, Norwegerin zu werden, dachte er. Danach gingen sie langsam als Mann und Frau durch die Straßen. Sie in Goldsandalen und türkisfarbenem Sari, mit dem schönen Schmuckstück am Hals. Er in einem neuen weißen Hemd, dunkler Hose und glänzenden Schuhen. Sein Arm umschlang ihre Taille. Sie schaute in Gunders Gesicht, in dieses breite Gesicht mit dem kräftigem Kinn. Er war ein so zuverlässiger und solider und zugleich so bescheidener Mann. Ab und zu errötete er, aber trotzdem hatte er ein ganz eigenes Selbstvertrauen und blieb ganz unberührt von seiner Umgebung. Achtete nur auf Poona. Sie sah seine zurückhaltende Freude, das breite Lächeln um seinen Mund, dachte, daß dieser Mann eine eigene Welt besaß, in der er selber herrschte. Und das war gut.
    Sie rechnete nicht damit, daß er reich sei. Er hatte es ihr gesagt: »Ich bin wirklich nicht reich. Aber ich habe Haus und Arbeit. Einen schönen Garten. Ein gutes Auto. Und eine liebe Schwester. Sie wird dich sehr gut aufnehmen. Wir wohnen in einem kleinen Ort. Es ist still dort, nicht viel Verkehr. Wir können ganz allein die Straße entlanggehen, ohne einer lebenden Seele zu begegnen.«
    Poona kam das seltsam vor. Eine so tiefe Stille, ganz ohne Menschen. Sie kannte nur das Gewimmel in der Stadt. Stille hatte sie nur auf Bildern gesehen.
    »Ich würde gern arbeiten«, sagte sie entschlossen.
    »Das ist doch kein Problem. Aber dann mußt du vielleicht in die Stadt. In Elvestad wirst du nichts finden. Aber wenn du in der Stadt Arbeit findest, dann kannst du mit mir fahren.«
    »Ich bin eine gute Arbeiterin«, sagte sie. »Ich ermüde nicht so leicht. Ich bin nicht sehr groß, aber ich bin zäh. Du brauchst mich nicht zu versorgen.«
    »Nein, nein«, sagte Gunder eilig. »Ich freue mich, wenn du Arbeit findest. Dann lernst du schneller Norwegisch. Alles wird sehr gut gehen, Poona, das verspreche ich dir. Die Norweger sind freundlich. Ein bißchen zurückhaltend, vielleicht, und sehr stolz, aber freundlich.«
    Poonas einziger Angehöriger war ein älterer Bruder, der in Neu-Delhi lebte. Sie wollte ihm schreiben und ihn über ihre Heirat informieren. Außerdem mußte sie in Mumbai noch einiges regeln, ehe sie nach Norwegen fliegen konnte. Sie würde vielleicht zwei Wochen brauchen. Gunder buchte und bezahlte den Flug. Erklärte ihr die Zwischenlandungen und die Lage des Flughafens Gardermoen. Er gab ihr Geld, damit sie für alle Notfälle gerüstet wäre. Schrieb mit deutlichen Ziffern und Buchstaben seine Adresse und seine Telefonnummer auf.
    »Wird dein Bruder schockiert sein, wenn er das erfährt?« fragte er besorgt.
    »Aber nein«, wehrte Poona voller Überzeugung ab. »Wir sehen uns fast nie. Shiraz hat sein eigenes Leben. Er hat eine Frau und vier Kinder. Ich koche gern«, fügte sie dann hinzu. »In Norwegen werde ich für dich und deine Schwester chicken curry kochen.«
    »Und ich Hammeleintopf«, lachte Gunder. »Hammelfleisch und Kohl.«
    »Ist das scharf?« fragte sie.
    »In Norwegen wird nichts scharf gewürzt. Nimm also jede Menge Gewürze mit. Dann können wir Marie und Karsten zum Schwitzen bringen.«
    Poona überlegte eine Weile. »Was wird deine Schwester sagen, wenn ich plötzlich da bin?«
    »Sie wird sich freuen«, sagte Gunder. »Zuerst wird sie erschrecken, dann wird sie sich freuen. Es gefällt ihr nicht, daß ich allein lebe. Sie hat immer schon gesagt, ich sollte mehr verreisen. Und jetzt bringe ich die ganze Welt mit nach Hause«, er lachte wieder und nahm sie fest in den Arm. Und dann mußte er einfach eine Hand auf den Zopf in ihrem Nacken legen. Der Zopf war stramm geflochten, und er glänzte wie Seide. Wenn sie das Gummiband herauszog, fielen ihr die Haare wie ein Mantel über die Schultern. Wie viele Frauen in Elvestad haben solche Haare, fragte er sich. Keine! Aber Poona löste ihren Zopf nur nachts. Und nur für ihn. In der Nacht leuchteten ihre Augen weiß in der Dunkelheit. Vorsichtig umfing sie seinen starken

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