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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Jomann.«
    »Welcome to Bollywood«, lachte sie.
    Er begriff nicht, was sie meinte. Aber er hörte, wie sein Herz sanft und vorsichtig schlug. Dann machte er eine tiefe Verbeugung, und endlich riß sie sich los und verschwand in der Küche.
     
    Abends rief er Marie an. Er war schrecklich aufgeregt.
    »Weißt du, daß diese Stadt Bollywood genannt wird?« fragte er lachend, sie konnte fast hören, wie heiß ihm war. »Hier ist die größte Spielfilmproduktion der Welt angesiedelt. Ich habe übrigens ein bißchen Indisch gelernt. Tan je vad, das bedeutet danke. In Indien lebt über eine Milliarde Menschen, Marie, stell dir das doch bloß mal vor.«
    »Ja«, sagte sie. »Bald werden wir auf der Erde so viele sein, daß wir uns gegenseitig fressen.«
    Gunder lachte schallend los.
    »Hast du schon Leute kennengelernt?« fragte sie mißtrauisch und unerträglich neugierig. Und natürlich lernte er Leute kennen, das konnte sie sich doch denken, bei über einer Milliarde, da stieß man dauernd mit anderen zusammen. »Das Hotel hat eine Klimaanlage«, sagte er dann. »Aber kaum setze ich einen Fuß vor die Tür, schon bin ich schweißnaß. Jetzt ist gerade die schlimmste Jahreszeit.«
    »Kümmerst du dich um deinen Magen?« fragte sie.
    Ja, danke, er kümmerte sich mit Hilfe von Tabletten um seinen Magen und fühlte sich wirklich wohl, aber die Hitze sorgte dafür, daß alles in Zeitlupe ablaufen mußte. Marie stellte sich vor, wie der behäbige Gunder in Zeitlupe durch die Straßen von Mumbai schlich.
    »Da freust du dich doch sicher auf zu Hause?« fragte sie, denn das wollte sie hören. Es gefiel ihr nicht, daß ihr träger Bruder plötzlich zu einem weltgewandten Mann geworden war, und sein besserwisserisches Getue ging ihr auch auf die Nerven.
    »Ich freue mich ungeheuer auf zu Hause«, er lachte, »und ich habe dir ein Geschenk gekauft. Etwas echt Indisches.«
    »Was denn?« fragte sie sofort.
    »Wird nicht verraten. Das ist ein Geheimnis.«
    »Ich habe heute den Rasen gemäht. Es gibt sehr viel Moos. Weißt du das überhaupt?«
    Gunder lachte. »Mit diesem Moos werden wir auch noch fertig«, sagte er lachend. »Moos im Rasen wollen wir nicht.«
    Wir? Er klang so besorgniserregend munter. Marie erkannte ihren Bruder nicht wieder. Sie hielt den Hörer in der Hand und merkte, daß sie ihn unbedingt wieder bei sich haben wollte. Sie konnte doch nicht auf ihn aufpassen, wenn er so weit weg war.
    »Hier ist es heute auch heiß«, sagte sie wichtig. »Gestern waren es in Nesbyen neunundzwanzig Grad.«
    Gunder prustete los. »Neunundzwanzig? Wir haben hier zweiundvierzig, Marie. Vorgestern waren es sogar noch mehr. Und wenn ich die Inder frage, ob sie nicht daran gewöhnt sind, weil sie doch Jahr ein Jahr aus mit solchen Temperaturen leben müssen, dann sagen sie, nein, für uns ist das genauso schrecklich. Findest du das nicht auch seltsam?«
    »Doch. Aber wenn sie unsere zwanzig Grad unter Null erleben müßten, dann würden sie vermutlich zu Eis gefrieren«, sagte sie trocken.
    »Glaub ich nicht«, meinte Gunder. »Die Inder arbeiten hart und halten sich so immer warm. Ganz einfach. Aber zum Glück habe ich Urlaub. Ich laufe nur mit ausgestreckten Armen in den Straßen hin und her.«
    »Mit ausgestreckten Armen?«
    »Ich kann sie nicht dicht am Körper ertragen«, sagte er lachend. »Muß auch die Finger spreizen. Aber das Hotel hat eine Klimaanlage«, wiederholte er noch einmal.
    »Das hast du schon erwähnt«, sagte sie kurz.
    Dann schwiegen sie beide. Marie seufzte, so, wie eine Schwester über einen unmöglichen Bruder seufzt.
    »Ich muß jetzt auflegen«, sagte Gunder. »Ich habe eine Verabredung.«
    »Ach?«
    »Wir gehen essen. Ich ruf übermorgen wieder an.«
    Sie hörte das leise Klicken, als er auflegte. Sah in Gedanken ihren Bruder vor sich, wie er mit gespreizten Fingern und ausgestreckten Armen durch die Menschenmenge glitt. In der flirrenden Hitze. Sie konnte nicht begreifen, wieso er so glücklich war.
     

GUNDER UND POONA HEIRATETEN
    am vierten August um Punkt zwölf Uhr. Im City Courthouse, wie Poona das nannte. Gunder hatte die nötigen Papiere besorgt, und das norwegische Außenministerium hatte per Fax bestätigt, daß von norwegischer Seite keine Ehehindernisse vorlägen. Es war eine schlichte, aber sehr feierliche Zeremonie. Gunder stand stocksteif da und hörte genau zu, in der Hoffnung, wirklich an den richtigen Stellen zu antworten. Poona strahlte. Sie hatte ihren Zopf im Nacken zu einem großen

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