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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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leuchtendrot.
    »Nicht eine Sekunde«, sagte er. »Da unten kannst du nicht in der Sonne sitzen. Ich bin im Schatten geblieben.«
    »Himmel«, sagte Bjørnsson.
    Doch insgeheim vermuteten die Kollegen doch, daß etwas passiert war. Gunder telefonierte mehr als sonst. Verschwand immer wieder im leerstehenden Büro und starrte sie abweisend an, wenn sie sich in der Tür zeigten. In der Mittagspause ging er oft einkaufen. Sie sahen Plastiktüten aus allerlei Kaufhäusern und aus Geschäften, die Stoffe und Bettwäsche verkauften. Poona meldete R-Gespräche an. Ihr Bruder war von ihrer Eheschließung nicht gerade begeistert, aber das war ihr egal. »Der ist nur neidisch«, sagte sie. »Er ist sehr, sehr arm, verstehst du?«
    »Wir können ihn nach Norwegen einladen, wenn du dich hier eingelebt hast. Er muß doch sehen, wie gut du es hast. Ich kann für ihn bezahlen.«
    »Das ist wirklich nicht nötig«, sagte Poona. »Und die Einladung hat er nicht verdient, wo er so sauer ist.«
    »Er wird sich schon wieder beruhigen. Wir können ihm doch Fotos schicken. Fotos von dir im Garten vor dem Haus. Und in der Küche. Damit er sieht, daß es dir an nichts fehlt.«
    Der 20. August rückte näher. Marie teilte telefonisch mit, daß Karsten dienstlich nach Hamburg müsse und bei Poonas Ankunft noch nicht zurück sein werde. »Ihr beide wollt am ersten Tag sicher allein sein«, sagte sie. »Ich will euch nicht gleich überfallen. Sagen wir, daß ihr am 21. zum Essen kommt. Es gibt Rehbraten. Und am 23. hat Karsten Geburtstag. Dann lernt sie ihn auch kennen. Er wird sich einfach zusammennehmen und ausnahmsweise einmal nett sein müssen.«
    »Ist er sonst nicht nett?« fragte Gunder überrascht.
    »Du weißt doch, wie er ist«, erwiderte Marie schroff.
    »Wir müssen uns einfach alle genug Zeit lassen«, sagte Gunder. »Vor allem Poona. Sie gibt schließlich alles auf und fängt ein ganz neues Leben an.«
    »Ich werde morgen Blumen vorbeibringen, ich habe ja noch den Schlüssel«, sagte Marie eifrig. »Ich stelle sie ins Wohnzimmer, mit einem Gruß für Poona von Karsten und mir. Damit sie sich willkommen fühlt. Wann fährst du los?«
    »Ganz früh«, sagte Gunder. »Ihre Maschine landet um sechs. Sie ist gestern in Frankfurt zwischengelandet und hat da übernachtet. Sie wollte dort noch einkaufen. Ich will spätestens um fünf in Gardermoen sein, muß doch noch den Wagen abstellen und überhaupt.«
    »Aber du rufst an, wenn ihr heil zu Hause angekommen seid? Nur damit ich weiß, daß ihr euch gefunden habt.«
    »Uns gefunden? Warum sollten wir uns nicht finden?«
    »Sie kommt von so weit her. Und manche Flüge haben doch Verspätung.«
    »Natürlich werden wir uns finden«, sagte Gunder. Und seine Schwester erkannte, daß er nie auch nur auf die Idee gekommen wäre, daß Poona nicht wie abgemacht eintreffen könnte. Sie selber hatte sich genau das überlegt. Er hatte ihr Geld hinterlassen und den Flug bezahlt, und vielleicht konnte sie das Ticket wieder zu Geld machen. Es war sicher ein Vermögen für eine arme Frau. Und sie konnte sich einfach in Gunders Küche keine Frau in einem türkisfarbenen Sari vorstellen. Das sagte sie aber nicht. Sie mahnte ihren Bruder nur, vorsichtig zu fahren.
    »Es ist schrecklich viel Verkehr«, sagte sie. »Und morgen darfst du auf keinen Fall einen Unfall bauen. Das würde sich nun wirklich nicht gut machen.«
    »Da hast du recht«, sagte Gunder.
     

20. AUGUST.
    Er hatte sich einen Tag Urlaub genommen. Er stand um sieben auf und öffnete die Vorhänge. Es war lange schönes Wetter gewesen, jetzt aber war der Himmel schwarz und schwer, und das ärgerte ihn. Aber es wehte ein leichter Wind, vielleicht würde es später noch aufklaren. Gunder war optimistisch. Er duschte lange und gründlich und frühstückte in aller Ruhe. Wanderte im Haus umher. Betrachtete das Foto von Poona und sich an der Pinnwand über seinem Schreibtisch. Schaute immer wieder hoffnungsvoll zum Himmel. Gegen zwei sah er einen blauen Spalt. Gleich darauf folgte ein funkelnder Sonnenstrahl. Gunder hielt das für ein Omen. Dieser Strahl war für Poona bestimmt. Er sah sie die ganze Zeit vor sich, so, wie sicher auch sie ihn sah, er hatte das Gefühl, immer wieder für einen Moment ihrem Blick zu begegnen. Dann konnte er sie nicht mehr sehen. Und mußte sich auf irgendeine Weise beschäftigen. Er blätterte in der Zeitung. Noch anderthalb Stunden, dachte er, dann fahre ich los. Aber warum nicht gleich? Wenn ich jetzt schon fahre,

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