Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Beschreibungen des »Wie« einzusteigen?
Die kulturelle Dimension des Konsums ist am besten von peripheren oder subversiven Positionen aus zu erkennen. So wie Benjamin,
selbst an der Schwelle zur Konsumgesellschaft stehend, die andere, dem Konsum entgegengesetzte Art des Sehens verteidigte,
so kann heute die ethnographische Beobachtung ihre Aufmerksamkeit darauf richten, dass es Lebenswelten gibt, in denen dem
Konsum nur eine begrenzte oder umstrittene Rolle zukommt. Der Umweg über eine Betrachtung von Gesellschaften und Kontexten,
in denen der Konsum eine marginale Stellung hat, ist offensichtlich der beste Weg, zu verstehen, was Konsum in Konsumgesellschaften
ist (Hahn 2005). Eine grundlegende und höchst bedeutungsvolle Beobachtung betrifft die Tatsache, dass es in solchen Gesellschaften
einen anderen Umgang mit den Dingen des Alltags gibt. Die Autorität des Nutzers, einen Gegenstand im Laufe seines Gebrauches
zu verändern und die Kompetenz, Alltagsdinge selbst – im Sinne von bricolage – (wieder-)herzustellen, wären hier als Beispiele
zu nennen (Dobler 2004).
Eine Ethnographie des Alltags muss neben der Beschreibung des Konsums ihre Aufmerksamkeit gerade auch den Umgangsweisen widmen,
die zunächst nicht unmittelbar auf den Konsum hin ausgerichtet sind. Die überraschenden Zwischenräume zwischen den Normen
und Rationalitäten des Konsums, die Verweigerung oder schlichtweg das Ignorieren von Konsummöglichkeiten kann sehr viel mehr
darüber aussagen, was Konsum ist, als eine Beschreibung der unendlichen Verästelungen des Konsums. Auf diese Weise kann es
gelingen, sich der Benjaminschen Bestimmung des Konsums als einer »Art des Sehens« mit ethnographischen Beobachtungen anzunähern
und die Ethnographie des Alltäglichen für eine »Anthropologie des Konsums« nutzbar zu machen.
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Konsum- und Marketingstrategien
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|33| Konsuminnovationen durch Cultural Hacking: Das Beispiel
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