Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
ja unrealistisch. Aber vielleicht: sie etwas menschlicher zu machen, oder eben
wenigstens ein winziges bisschen intelligenter. Ich verwende die Power der Marke als Vehikel, der Gesellschaft Ideen einzupflanzen,
die Diskussionen auslösen, Probleme ansprechen und sie möglicherweise zum Besseren verändern.« (Karcher 2007)
Nicht nur Künstler nehmen kritische Metaebenen zu ihrem Werk ein, die Modebranche ist intelligent genug, dieses Privileg der
kritischen Distanz selbst einzusetzen. Gleichzeitig gewinnt Prada durch diese Freigabe und Funktionsverlagerung der Marke
ein weiteres Distinktionsmerkmal in einer Branche, die sich vor allem über die weichen kulturellen Faktoren ihrer Markenidentität
behauptet.
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Abbildung 5: Elmgreen & Dragset, Prada Marfa
(Quelle: Elmgreen & Dragset 2007: 18)
Die wechselseitigen symbiotischen Verhältnisse können jedoch auch strategisch zum Stillstand gebracht werden und damit den
Konsum wieder unterbinden. Das norwegisch-dänische Künstlerteam Michael Elmgreen & Ingmar Dragset, das bereits in früheren
Installationen die Dekontextualisierung von Kunsträumen zum Thema gemacht hatte, hat mit der
Prada
Marfa
eine Prada-Boutique an eine vereinsamte Landstraße mitten in Texas gesetzt (Abbildung 5). Dem ungestörten Konsum sind hier
von vornherein Grenzen gesetzt. Zum einen ist das Angebot der kleinen Boutique auf sechs Handtaschen und 20 Paar Highheel-Schuhe
begrenzt. Darüber hinaus ist die Boutique immer verschlossen geblieben, was ihren konsumistischen Charakter auf die visuelle
Variante des
Window Shoppings
beschränkte. Die Eröffnung der Installation am 01. Oktober 2005 fand an der Straße in einem kleinen Kreis von Eingeweihten
statt. Der Prozess, der zur Installation führte, erfolgte mit der Einwilligung von Prada. Das Modelabel stiftete die Inhalte
der Boutique und ersetzte sie auch nach einem ersten Diebstahl. Ein direktes Engagement der
Fondazione Prada
in Form einer Kunstausstellung oder einem begleitenden Katalog gab es jedoch nicht.
Das Branding des Shops folgte den Strategien des Marktes. Obwohl die architektonische Skulptur in der Nähe der kleinen Stadt
Valentine – 160 Einwohner – liegt, wurde die Boutique
Prada Marfa
benannt, wegen des einprägsameren Klangs und aufgrund der Tatsache, dass die Stiftungen, die das Projekt unterstützen, in
der texanischen Stadt Marfa angesiedelt sind. Mit
Marfa
als Marke verknüpft sich zudem eine ganze Traditionskette der Suche nach dem schnellen finanziellen Erfolg. Marfa stellt seit
Jahrzehnten für verschiedene Filmschaffende die Projektionsfläche menschlicher Sehnsucht dar: George Stevens drehte dort 1955
Giganten
mit James Dean und |81| auch Paul Andersons aktuelle Umsetzung des Öldramas
There will be Blood
(2007) bediente sich des trostlosen Charmes dieser Landschaft, ebenso der oscargekrönte Film
No Country for Old Men
(2007) der Coen-Brothers. Neben dem Mainstream des Kinos übt Marfa durch die bekannte Minimal-Art-Sammlung des Künstlers Donald
Judd auch eine gewisse Anziehungskraft auf die Kunstwelt aus.
Dem aus einfachen Ziegeln errichteten Marfa-Pavillion fehlt die Aktualität des Modischen, denn bis auf den Ersatz eines Diebstahls
kurz nach der Eröffnung verharrt das Angebot im Zustand von 2005 und veraltet geduldig mit jedem Jahr. Einer alternden, verschlossenen
Boutique im Niemandsland bleibt nur noch die Zuflucht in die künstlerische Skulptur. Der Prada-Modetempel en miniature steht
sex-und-city-los an einer staubigen Landstraße und ist dem langsamen Verfall anheim gegeben, die sprichwörtlichen Wechsel
der Mode haben vor ihm Halt gemacht.
Prada Marfa
zeigt die Enttäuschung angesichts einer ungenutzten, elegant designten Einkaufsumgebung. Solange das Ziel aller noch so raffinierten
Inszenierungen unsere Kaufkraft ist, bleibt dieser Laden stumm und nur Kunst-Konsumenten kommen bei dieser Architektur für
den Kopf auf ihre Kosten. Unsere Imagination und unsere Schaulust fungieren hier nicht, wie bei anderen Mode-Szenarien, als
Gleitmittel eines Warentauschs, sondern sie sind das eigentliche Anliegen der Produzenten.
Der Parasit unserer Zeit kommt auf leisen Sohlen daher und entgeht seinem
Hesitation Blues
angesichts der Übermacht des faktischen Konsums, indem er unmerkliche Verschiebungen vornimmt. Als Konsum-Kooperationist hält
er sich in den Zwischenräumen von Kunst und Kommerz auf und weiß sich einzurichten, irgendwo zwischen den Weiten der
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