Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Geschichte der amerikanischen Prohibition
nacherzählten. Die sprichwörtliche Seifigkeit der Soap wurde nach dem Prinzip des cum grano salis arretiert und wandte sich
in erster Linie an die bereits verfeinerten Geschmacksknospen. Der unraffinierte Geschmack konnte sich weiterhin ohne intellektuelle
Eintrübungen an den TV-Schicksalen erfreuen, während die anderen um die kritischen Momente wussten. Die Produzenten der Sendung
waren in alle Aktionen eingeweiht, für den Betrachter jedoch enttarnte sich der parasitäre Eingriff nicht auf Anhieb und setzte
das Wissen um seinen Kontext voraus.
Kritik an konsumistischen Positionen wird auch dort artikuliert, wo die Liaison zwischen Kunst und Konsum nicht in einem strategischen
Gestus überboten, sondern in der Verweigerung von Konsum dezidiert abgelehnt wird. Hier lässt sich am ehesten eine klassische
Guerilla-Haltung beobachten. So steht Kunst als Dienstleistung und nicht als Ware in einem Tauschprozess ästhetischer Güter
im Mittelpunkt der amerikanischen Künstlergruppe
Temporary Services
. Kunst soll aus ihrer privilegierten Position herausgelöst werden. Die Maßstäbe der Konkurrenz und des Wettbewerbs werden
abgelehnt und durch Aktionen ersetzt, die Menschen einbeziehen, die außerhalb des Kunstsystems stehen. Ihnen will die Künstlergruppe
zu einem eigenen Ausdruck und zu einem öffentlichen Forum verhelfen.
»Temporary Services seeks to create and participate in ethical relationships that are not competitive and are mutually beneficial.
We develop strategies for harnessing the ideas and energies of people who may have never participated in an art project before,
or who may feel excluded from the art community.« 4
Neben einem Archiv des nicht-intentionalen Designs, in dem alltägliche Gestaltungen und Kommunikationsabsichten präsentiert
werden, wird der öffentliche Raum auch für Guerilla-Aktionen und alternatives Productplacement aufgesucht. Im Ausstellungswesen
bekannt wurde
Temporary Services
durch ihre
Prisoners’ Inventions
, einem Ausstellungs- und Buchprojekt über die Erfindungen von Gefängnisinsassen. Diese Objekte, die aus der Not mangelnder
Konsummöglichkeiten und restriktiver Überwachung entstanden sind, sollen vor allem auf die reiche Fantasie der Häftlinge hinweisen |76| , die in kühner, auch lebensgefährdender
Bricolage
, Objekte des bescheidenen Genusses und der Erleichterung des Lebens herstellen wie Zigarettenanzünder, Pfeffer- und Salzstreuer
aus Eisstielen, eine Tätowiermaschine oder eine Sexpuppe aus zwei mit warmem Wasser gefüllten Plastiksäcken (Abbildung 3;
Prisoners’ Inventions
2003: 54, 84f., 96f.).
Abbildung 3: Prisoners’ Inventions Tätowiermaschine
(Quelle: Temporary Services 2003: 97)
Der Parasit trägt Prada
Um 2001 wurde mit der kurzfristigen Etablierung des alternativen Labels
Prada-Meinhof
durch die Hamburger Modeagentur
Maegde und Knechte
der Terrorchic zur dekorativen Pose, die T-Shirts und Plakate zierte. Die parasitäre Partizipation an der RAF-Historie erhob
die triste Erfahrung eines »Deutschlands im Herbst« in den Status modischer Attraktivität, der sich auch in entsprechenden
Filmen und Ausstellungen zur RAF spiegelte. Die einprägsame, zynische Wortschöpfung ist inzwischen zu einer englischen Künstlerinnengruppe
gewandert, die als
Prada-Meinhof-Gang
firmiert und ihre |77| Website mit roten, blutähnlichen Spritzern auflockert. 5
Maegde und Knechte
haben ihre intelligente Arbeit an den Slogans des Marktes derweilen weiterentwickelt und kontern die dumpfe Schnäppchenmentalität
ihrer Mitbürger mit dem Diktum »Geist ist geil«. 6
Innerhalb des Marktsystems ist die Position der Haltungen, die mit dem Konsum flirten, oftmals doppeldeutig. Für den klassisch
ideologiekritisch geschulten Blick tarnt sich die Anbiederung an Geld, Aufmerksamkeit und Glamour als postmodernistische Kooperationsstrategie.
Doch die parasitäre Zusammenarbeit kann zu durchaus kritischen Ergebnissen führen und den Diskurs um Kommerz und Kunst intensivieren.
Die dahinterstehende künstlerische Haltung möchte den Gegner mit seinen eigenen Mitteln und Taktiken konfrontieren, sein System
nutzen und aus seinem Innern heraus virale Veränderungen einleiten. Künstler wie Takashi Murakami arbeiten schon seit einigen
Jahren mit Unternehmen wie Louis Vuitton zusammen. In dieser fast schon symbiotischen Beziehung hatte Murakami das Logo auf
Vuitton-Taschen seiner
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