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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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persönlichen Farbskala angepasst. Ein kleiner Vuitton-Shop ist in die jüngste Murakami-Ausstellung
     in Los Angeles integriert und schmiegt sich konsequent in Murakamis Prinzip des Merchandizing ein. 7 Der japanische Künstler verfährt dabei nur konsequent, da für ihn die Zusammenführung von etablierter Hochkultur und populärer
     Unterhaltungskultur vitaler Bestandteil seines Konzepts von
Superflat
ist. Das Zweidimensionale der Oberfläche japanischer Malerei und Animationsfilme wird hier als alternative Antwort auf den
     Mythos des Tiefgangs vorgestellt (Murakami 2000: 9–25).
    Die Überbietung der Logik des Marktes führte Tom Sachs Ende der neunziger Jahre mit seinen
Bricolage-
Arbeiten vor, welche die Logos weltbekannter Marken wie Chanel oder Prada in die raue Schönheit des Handgemachten überführten.
     Als Möbeldesigner und ehemaliger Schaufenstergestalter des New Yorker Warenhauses Barney’s war Sachs schon früh mit den Regeln
     der Inszenierung von Ware vertraut. Seine Regelverletzungen wie die berühmte Weihnachtskrippe mit Bart Simpson als einer der
     Heiligen Drei Könige sowie einer
Hello-Kitty-Figur
als Jesuskind empörten zwar rechtsgerichtete Christen und Sachs’ Arbeitgeber, aber die Kunstwelt und |78| der mit ihr assoziierte Kunstmarkt nahmen den Rebell sogleich auf. Schon die Bezeichnung von Sachs’ Werkstatt
Allied Cultural Prosthetics
verweist auf eine prothetische Dienstleistung, die sich parasitär im Zentrum der Kulturvermarktung aufhält und von dort aus
     Kunst und Konsum zynisch kommentiert: 
    »Faschismus und Mode – bei beidem geht es um den Verlust von Individualität […] Ich interessiere mich für die Hardware von
     Horror und Tod. […] Die Konzentrationslager sind erstaunliche Beispiele für deutsche Technik und Design. Es gibt klare Verbindungen
     zwischen Massen-Konsumgütern und jenen Produkten, die zu militärischen Zwecken entwickelt wurden.« (db-art.info 2003)
    Abbildung 4: Tom Sachs, Prada Deathcamp
    (Quelle: www.tomsachs.org/works/pradadeathcamp.htm)
    Trotz des Faschismus-Vergleichs reagierte die Modewelt mit integrativer Hartnäckigkeit. Tom Sachs’ berühmte Prada-Hutschachtel
Prada Deathcamp
(Abbildung 4), aus der er ein KZ en miniature bastelte oder die in ihren Maßen naturgetreu umgesetzte Chanel-Guillotine sorgten
     zwar für einen Aufschrei der Kulturbeflissenen, bei den ins Visier genommenen Modemarken wurden die Arbeiten jedoch überaus
     positiv aufgenommen und mögliche |79| konsumkritische Untertöne perlten an dieser Umarmungsfigur ab. Stattdessen stützten sich Kunst und Modewelt durch ein angeblich
     zufälliges Zeitmanagement gegenseitig: Sachs’ Ausstellung
Creativity is the Enemy
in der Pariser Galerie Thaddeus Ropac erschien 1999 zeitgleich zu den Haute-Couture Schauen (ebd.). Die
Fondazione Prada
hatte Sachs bei einer anderen Gelegenheit ein unbegrenztes Kontingent an Schuhkartons angeboten und im Jahr 2006 hatte das
     Mailänder Modehaus eine große Tom Sachs-Ausstellung in seinen eigenen Hallen ermöglicht, wobei die kontroversen Werke der
     früheren Phase allerdings fehlten.
    Die Philosophie des Prada-Konzerns ist gleichwohl zu vielschichtig, um die Verharmlosung künstlerischer Arbeit ins Modische
     zu betreiben, wie eine Äußerung von Miuccia Prada zeigt: »Ich will nicht, wie viele andere, zur immer leichteren Konsumierbarkeit
     von Kunst beitragen. Vielleicht ist Kunst inzwischen nicht mehr das Terrain von Rebellion und Radikalität wie früher« (Karcher
     2007). Einer vordergründigen Überblendung von Mode und Kunst steht man eher skeptisch gegenüber. Die Indienstnahme der Kunst
     erfolgt auf der zunächst immateriellen Basis eines Ideengebers. Hierin gleichen sich künstlerische und marktorientierte Strategien.
     Der Konzern scheut sich nicht, auch die eigene Marke über die kommerzielle Verwertung und Markendistinktion hinaus als virales
     Vehikel einzusetzen, um Ideen zu verbreiten und die Kulturdebatten zu beleben.
    »Prada: […] Mich interessiert die jeweils eigene Intelligenz der beiden Disziplinen [Mode und Kunst] und wie ich sie für mich
     fruchtbar mache. Wo ist sie, die neue Energie, die meine Visionen beflügelt? In der Kunst, oder doch eher in der Musik, Philosophie,
     im Theater, im Kino? Wo? Zurzeit suche ich fast hysterisch nach neuen Impulsen. Und wenn ich das Kapital von Prada und das
     Label selbst dafür nutzen kann […].
    SZ: […] die Welt zu retten?
    Prada: Nein, nein, wie komisch, nein, das wäre

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