Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
und Softwareanwendungen können Medieninhalte ohne spezielles Fachwissen
online bereitgestellt werden. Hinzu kommen massiv gesunkene Preise für professionelle Geräte wie hochauflösende Videokameras,
aber auch zahlreiche einfache Aufnahmegeräte, etwa Mobiltelefone mit integrierter Foto- und Videokamera. Als neues Universum
kann es bezeichnet werden, da es nicht einfach eine linear fortgeführte Version der Medienkultur des 20. Jahrhunderts ist,
sondern hier eine Entwicklung von klassischen Medien hin zu sozialen Medien vollzogen wurde (vgl. Chan). Das Internet hat
sich somit von der Film- und Videokultur des 20. Jahrhunderts emanzipiert. Was bedeutet nun diese Verschiebung für Medien,
für ihre Funktionsweise und auch für die Begriffe, mit denen wir sie erfassen? Diesen Fragen widmet sich der folgende Beitrag.
Soziale Medien werden heute meist unter dem Terminus des Web 2.0 diskutiert (geprägt von O’Reilly 2004). Das Web 2.0 umfasst
dabei eine Reihe verschiedener technischer, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen, die für die hiesigen Fragen zu sozialen
Medien bedeutend sind, indem sie auf grundlegende Konzepte verweisen: Hierzu zählen nutzergenerierte Inhalte, Netzwerke,
long tail
,
folksonomy
,
syndication
und
mass collaboration
. Diese Schlagworte sollen hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden, denn das kann die kollektiv erstellte Online-Enzyklopädie
Wikipedia, die ja selbst ein Paradebeispiel für das Web 2.0 ist, besser. Ziel ist folglich weniger eine eingehende Analyse
des Web 2.0 mit seinen soziokulturellen Auswirkungen. Vielmehr sollen eine Reihe von Fragen aufgezeigt werden, die in dieser
Weise noch nicht angemessen gewürdigt wurden und die unmittelbar mit Video und der Kultur der bewegten Bilder im Netz zu tun
haben.
|192| Einen aufschlussreichen Ausgangspunkt bilden zwei Thesen, die gemeinhin als zentral für das Web 2.0 gelten. Erstens verlagerte
sich das Interesse zahlreicher NutzerInnen um das Jahr 2000 auf solche Inhalte, die von wenigen, meist nicht-professionellen
Personen bereitgestellt wurden. Zweitens hat sich das Internet weitgehend von einer Publikations- zu einer Kommunikationsplattform
verändert. Denn mit gestiegenem Interesse an unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten gewinnt der interaktive Austausch
an sich eine höhere Bedeutung als die veröffentlichten Meldungen selbst (vgl. Chan). Welche Rolle muss dieser Entwicklung
zugemessen werden? Was bedeutet sie für unsere Kultur insgesamt und für professionelles Handeln im Besonderen?
Zunächst müssen wir uns vergegenwärtigen, dass dies nicht zwangsläufig heißt, alle Nutzenden seien automatisch zu ProduzentInnen
geworden. Im Jahr 2007 stellten nur 0,5 bis 1,5 Prozent der BesucherInnen beliebter Webseiten mit nutzergenerierten Inhalten
(wie Flickr, YouTube, Wikipedia) tatsächlich auch eigene Beiträge bereit. Das bedeutet, dass die weit überwiegende Mehrzahl
weiterhin in der KonsumentInnenrolle verharrt und lediglich die Inhalte einiger weniger rezipiert. Wie ist dies zu interpretieren?
Heißt es etwa, dass professionell erstellte Inhalte nach wie vor das Angebot beherrschen und weitgehend vorgeben, welche Informationen
auf welche Weise zugänglich sind?
Wenn man unter
Inhalten
klassische Formate der Massenmedien versteht, also Nachrichten, Fernsehserien, Talkshows, Dokumentationen und Spielfilme,
aber auch Videos, Computerspiele, Musik und Literatur einbezieht, muss die Antwort meist tatsächlich »ja« lauten: 2007 konnten
lediglich zwei Weblogs in die Liste der 100 am meisten gelesenen Nachrichtenquellen aufgenommen werden.
Zeitgleich können wir aber die Entwicklung des
long
tail-Phänomens (vgl. Anderson 2004) beobachten: Nicht allein die beliebtesten der online verfügbaren Inhalte (die sog. Top
40, private Seiten eingeschlossen) finden ihre Leserschaft, auch eine Gruppe, die sich für ausgefallene Nischenthemen interessiert,
existiert nachweislich. Sie mag zwar winzig sein, aber sie ist eben nicht gleich Null. Dies lässt sich deutlich mit folgenden
Zahlen belegen: 2005 wurde jedes der millionenfach beim Onlineanbieter iTunes vorhandenen Musikstücke wenigstens einmal im
Vierteljahr verkauft, was in anderen Worten heißt, dass jedes Lied – wie unbedeutend es auch sein mag – zumindest eineN HörerIn
fand. Dies verweist zudem auf die veränderte Medienökonomie, die sich in Studien des
long
tail-Phänomens abzeichnet |193| . Langfristig
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