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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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Dinge in westlichen Gesellschaften überwiegend Güter aus serieller Massenproduktion.
     In ihnen manifestieren sich daher auch die Strategien ihrer Konstrukteure, Designer, Hersteller und Marktstrategen. An solchen
     fertig verfügbaren Objekten richten Individuen ihre Lebenswelt aus und gestalten, daran orientiert, ihre Identität durch den
     Einsatz von Taktiken: Durch
bricolage
, Kombination, |197| Anpassung und – um ein Wort zu benutzen, das zwar nicht zu de Certeaus Vokabular gehört, aber heute wichtig geworden ist –
     durch Remix. So tragen Menschen beispielsweise kaum alle Kleidungsstücke von nur einem Modeschöpfer, wie es auf dem Laufsteg
     vorgeführt wird. Denn üblicherweise werden unterschiedliche Stücke nach eigenem Geschmack und aus unterschiedlicher Herkunft
     kombiniert. Hinzu kommt, dass Kleidung zumeist auf eine bestimmte Weise getragen wird und gern anders, als es vorgesehen ist:
     Sie wird durch weitere Elemente individuell ergänzt, mit Buttons, Gürteln oder anderen Accessoires. Dies lässt sich auf die
     Wohnraumgestaltung übertragen, auf die eigene Art zu essen und so weiter, also generell auf den aktiv praktizierten Aufbau
     des eigenen Lebensstils.
    De Certeaus
Kunst des Handelns
bietet somit wertvolle Anknüpfungspunkte, um Alltagskultur zu reflektieren, auch wenn sich seit 1980 viele Dinge verändert
     haben. Der Wandel fällt dabei in Regierungs- und Leitungsgremien weniger stark aus, auch wenn manche Entscheidungsprozesse
     transparenter und häufiger sichtbar werden. Aber in Wirtschaft, Handel und bei Endverbrauchern hat sich Grundlegendes verändert.
     Die Strategien und Taktiken jeweils zugeordneten Handlungsmuster nähern sich durch enge Interaktion einander an und scheinen
     teilweise gar in ihr Gegenteil verkehrt. Dies insbesondere in gänzlich digital realisierten Bereichen wie der Software- und
     Computerspielbranche, bei interaktiven Webseiten und sozialen Netzwerken. Sie sind von vornherein gänzlich darauf ausgerichtet,
     mit Inhalten von Nutzenden bestückt zu werden. Dies beginnt bereits bei der grafischen Benutzeroberfläche von Computern, die
     sich anbietet, an die jeweils eigenen Bedürfnisse angepasst zu werden. Es gilt ebenso für Webseiten wie etwa iGoogle, mit
     der die Suchmaschine als personalisierte Seite erscheint, bestückt mit individuell gewählten Anwendungen und Inhalten auch
     aus anderen Quellen neben dem eigentlichen Seitenanbieter. Facebook, Flickr und Google sowie andere Anbieter von Social Software
     ermutigen zudem ihre NutzerInnen, eigene Anwendungen zu entwickeln, die auf vorhandene Datenbestände zugreifen und darüber
     neue Dienste eröffnen (Anfang 2008 wurden allein bei Facebook 15.000 Anwendungen externer Entwickler gelistet). Die Aufforderung,
     eigene Ideen zu realisieren, ist dabei nicht auf das Web beschränkt. Viele Computerspiele beispielsweise werden mit einem
     Editor ausgeliefert, mit dem das Spiel um eigene Spielebenen erweitert werden kann.
    Doch auch Wirtschaftszweige, die mit physischen Waren handeln, bleiben davon nicht unberührt, obwohl sich hier die Veränderungen
     deutlich |198| langsamer vollziehen. Toyota führte 2003 die Marke Scion ein, die vom Leitgedanken der umfassenden Anpassbarkeit der Autos
     geprägt war. Aber auch Nike, Adidas und Puma experimentierten mit Schuhen, die die KäuferInnen individuell aus einer breiten
     Palette von gegebenen Wahlmöglichkeiten zusammenstellen konnten (beim Puma Mongolian Barbecue-Konzept wurden so mehrere tausend
     unterschiedliche Schuhe möglich). 8 Bei vielen Produkten allerdings ist nicht sinnvoll zwischen dem Bereich Software und dem des Materiellen zu trennen, da das
     physische Gerät nur mit Software funktionsfähig ist. In dieser hybriden Umgebung stellte Bug Labs Anfang 2008 ihr
Lego of Gadgets
vor: Eine offene Plattform für elektronische Geräte, bestehend aus einem Minicomputer und unterschiedlichen, frei kombinierbaren
     Modulen wie Kameras oder Displays. 9 Die jüngste Popularität von Do-it-yourself-Praktiken in unterschiedlichen Feldern ist ein anderes Beispiel für diesen wachsenden
     Trend.
    Die Beispiele zeigen, dass Unternehmen zwischenzeitlich neue Strategien entwickelt haben. Sie imitieren die ursprünglich auf
     der Seite der Nutzenden angesiedelten Taktiken. Sie arbeiten mit
bricolage
, Neukombinationen und Remix. Die Handlungslogik der Taktiken ist zur Firmenstrategie geworden.
    Das Web 2.0 stellt die deutlichste Neuordnung der

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