Kopernikus 1
zweites Leben gelebt und kehrte jetzt zu seinem alten Dasein zurück, wie j e mand, der sich von einem Gedächtnisverlust erholt. O b wohl er noch immer benommen war, formte sich ein kl a rer Gedanke in seinem Kopf. Er durfte in Comarre nie mehr einschlafen.
Langsam kehrten der Wille und der Charakter von R i chard Peyton III. aus der Verbannung zurück. Mit uns i cheren Füßen stand er auf und verließ den Raum. Wieder einmal befand er sich in dem langen Korridor mit seinen Hunderten von gleichartigen Türen. Mit neuem Ve r ständnis besah er sich die auf ihnen angebrachten Sy m bole.
Er merkte kaum, wohin er ging. Sein Geist beschäfti g te sich zu intensiv mit dem vor ihm liegenden Problem. Beim Gehen wurde ihm der Kopf klarer, und allmählich verstand er. Vorerst handelte es sich nur um eine Verm u tung, aber bald würde er sie überprüfen.
Der menschliche Geist war etwas äußerst Zartes, A b geschirmtes, ohne direkten Kontakt mit der Welt; all sein Wissen und seine Erfahrung wurden ihm durch die Sinne vermittelt. Es war möglich, Gedanken und Gefühle au f zuzeichnen und zu speichern, so wie der frühere Mensch einst Töne auf meilenlangen Drähten aufgezeichnet hatte.
Wurden diese Gedanken in einen anderen Geist proj i ziert, während der Körper bewußtlos war und alle Sinne betäubt waren, würde dieses Gehirn glauben, es erlebe die Wirklichkeit. Es gab keine Möglichkeit, wie es die Täuschung entdecken konnte, genausowenig wie man eine perfekt aufgezeichnete Symphonie von einer orig i nalen Aufführung unterscheiden kann.
Dies alles war seit Jahrhunderten bekannt, aber die E r bauer von Comarre hatten dieses Wissen auf eine Weise verwertet, wie es zuvor nie geschehen war. Irgendwo in der Stadt mußte es Maschinen geben, die jeden Geda n ken und jede Sehnsucht der Besucher analysieren kon n ten. Irgendwo mußten die Erbauer der Stadt jede Wah r nehmung und jedes Erlebnis gespeichert haben, die dem menschlichen Geist bekannt sind. Aus diesem Rohmat e rial konnte jede mögliche Zukunft konstruiert werden.
Erst jetzt wurde Peyton das volle Ausmaß des Genies klar, das bei der Errichtung Comarres Pate gestanden hatte. Die Maschinen hatten seine verborgensten Geda n ken analysiert und für ihn eine aus seinen unbewußten Sehnsüchten erbaute Welt errichtet. Sobald sich die Mö g lichkeit ergeben hatte, hatten sie sodann die Kontrolle über seinen Geist ergriffen und ihm alles, was er erlebt hatte, eingegeben.
Was wunder also, daß sich alles, wonach er sich je g e sehnt hatte, in jenem halbvergessenen Paradies sein eigen gewesen war. Und was wunder auch, daß im Verlauf der Zeiten so viele jenen Frieden gesucht hatten, den einzig und allein Comarre bringen konnte!
5. Der Ingenieur
Als ihn das Geräusch von Rädern veranlaßte, über die Schulter zurückzublicken, war Peyton bereits wieder Herr seiner Sinne geworden. Der kleine Roboter, der ihm als Führer gedient hatte, war zurückgekehrt. Zweifellos fragten sich die großen Maschinen, die ihn steuerten, was mit seinem Schützling passiert war. Peyton wartete ab, und langsam nahm ein Gedanke in seinem Kopf Gestalt an.
A-fünf fing neuerlich mit seiner vorprogrammierten Rede an. Eine so einfache Maschine an einem Ort, wo die Automatronik den Höhepunkt ihrer Entwicklung e r reicht hatte, erschien jetzt als Widerspruch. Dann erkan n te Peyton, daß der Roboter vielleicht absichtlich unko m pliziert war. Es lag wenig Sinn darin, eine komplexe M a schine zu benutzen, wenn eine einfache denselben Zweck erfüllen konnte – vielleicht sogar besser.
Peyton kümmerte sich nicht um die bereits bekannte Rede. Alle Roboter, das wußte er, mußten menschlichen Befehlen gehorchen, es sei denn, andere Menschen hä t ten ihnen zuvor schon gegensätzliche Befehle erteilt. Selbst die Projektoren der Stadt, dachte er listig bei sich, hatten den unbekannten und unausgesprochenen Befe h len seines eigenen Unterbewußtseins gehorcht.
„Führe mich zu den Gedankenprojektoren“, befahl er.
Wie erwartet, rührte sich der Roboter nicht. Er antwo r tete bloß: „Ich verstehe nicht.“
Peytons Lebensgeister erwachten, als er sich wieder als Herr der Lage fühlte.
„Komm her und bewege dich nicht, bis ich es dir b e fehle.“
Die Selektoren und Schaltkreise des Roboters prüften die Instruktionen. Sie konnten keinen Gegenbefehl fi n den. Langsam rollte die Maschine auf den Rädern vo r wärts. Sie hatte sich festgelegt – es gab für sie kein Z u rück mehr.
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