Kopernikus 1
abschalten konnte.
Ein klein wenig später entdeckte er den Gedankenm o nitor. Es handelte sich um eine kleine Maschine, die sehr einem uralten, von Hand geschalteten Telefonvermit t lungskasten ähnelte, aber sehr viel komplizierter war. Der Bedienungssessel war eine höchst merkwürdige Ei n richtung. Er war vom Boden isoliert und mit einem Netzwerk aus Drähten und Kristallstangen überdacht. Es war die erste Maschine von den hier gefundenen, die o f fensichtlich für unmittelbare menschliche Bedienung vorgesehen war. Möglicherweise hatten die Ingenieure sie gebaut, als sie in den Anfangstagen der Stadt die A n lage aufbauten.
Peyton hätte es nicht gewagt, den Gedankenmonitor einzuschalten, wären auf dem Schaltbrett nicht eingehe n de Gebrauchsanweisungen aufgedruckt gewesen. Nach einigem Experimentieren schaltete er sich in einen der Schaltkreise ein und erhöhte allmählich die Leistung, wobei er darauf achtete, daß der Intensitätsregler die rote Gefahrenmarke nicht überschritt.
Er tat gut daran, denn das Erlebnis wirkte auf ihn wie ein Angriff auf seine Substanz. Er bewahrte seine Pe r sönlichkeit, aber seine eigenen Gedanken wurden von Einfällen und Bildern überlagert, die ihm völlig fremd waren. Durch das Fenster einer fremden Welt blickte er in eine andere Welt.
Es war, als würde sich sein Körper gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen befinden, auch wenn die Ei n drücke seiner zweiten Persönlichkeit weitaus weniger lebhaft waren als die des wirklichen Richard Peyton III. Jetzt verstand er die Bedeutung der Gefahrenmarke. Falls der Regler für die Gedankenintensität zu hoch eingestellt wurde, führte das unzweifelhaft zum Wahnsinn.
Peyton schaltete die Anlage ab, damit er ungestört nachdenken konnte. Jetzt verstand er, was der Roboter mit den Worten, die anderen Bewohner Comarres schliefen, gemeint hatte. Es gab andere Menschen in Comarre, aber sie lagen entrückt unter den Gedanke n projektoren.
Seine Gedanken kehrten zu dem langen Gang mit den Hunderten von Metalltüren zurück. Auf dem Weg in die Tiefe war er an vielen solchen Galerien vorbeigeko m men, und es war ihm nun klar, daß der größte Teil der Stadt nicht mehr war als eine ungeheure Bienenwabe aus Kammern, in denen Tausende von Menschen das Leben verträumen konnten.
Er überprüfte die Schaltkreise auf dem Brett einen nach dem anderen. Die große Mehrzahl von ihnen war tot, aber etwa fünfzig von ihnen funktionierten noch i m mer. Und jeder von ihnen trug alle Gedanken, Sehnsüc h te und Gefühle des menschlichen Geistes in sich.
Jetzt, bei vollem Bewußtsein, verstand Peyton, wie er getäuscht worden war, aber das Wissen darum bedeutete ihm nicht viel Trost. Er erkannte die Mängel in diesen synthetischen Welten, konnte feststellen, wie jede Kriti k fähigkeit des Geistes abgestumpft wurde, während ein endloser Strom einfacher, aber lebhafter Gefühle in ihn hineingepreßt wurde.
Ja, jetzt sah alles sehr einfach aus. Das änderte aber nichts daran, daß die künstliche Welt für den Betrachter völlig real wirkte – so real, daß der Schmerz des Verla s sens noch immer in seinem eigenen Geist nachglühte.
Nahezu eine Stunde lang erforschte Peyton die Welten der schlafenden Seelen. Es war eine faszinierende, wenn auch abstoßende Aufgabe. In jener einen Stunde erfuhr er mehr vom menschlichen Gehirn und seinen verborgenen Pfaden, als er sich je hätte träumen lassen. Als er fertig war, saß er lange Zeit ganz still am Schaltbrett der M a schine und analysierte sein neuerworbenes Wissen. Er war um Jahre weiser geworden, und seine Jugend schien plötzlich weit hinter ihm zu liegen.
Zum erstenmal erfuhr er aus erster Hand, daß die pe r versen und bösen Verlangen, die manchmal die Oberfl ä che seines eigenen Geistes durcheinanderbrachten, von allen Menschen geteilt wurden. Die Erbauer von Coma r re hatten keinen Unterschied zwischen Gut und Böse gemacht – und die Maschinen waren ihre treuen Diener.
Es befriedigte ihn zu erfahren, daß seine Theorien richtig gewesen waren. Peyton wußte jetzt, wie knapp sein Entrinnen gewesen war. Falls er innerhalb dieser Mauern neuerlich einschlief, wachte er vielleicht nie wieder auf. Der Zufall war einmal seine Rettung gew e sen, aber er würde ihn kein zweites Mal retten.
Die Gedankenprojektoren mußten funktionsunfähig gemacht werden, und zwar so gründlich, daß die Roboter sie niemals mehr reparieren konnten. Zwar waren die Roboter in der Lage, normale Störfälle zu
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