Kopernikus 1
verlangte Ulf kategorisch.
Gunda stimmte zu, und Olaf hatte nichts dagegen ei n zuwenden. Um ihren Besuch weniger auffällig zu gesta l ten, beschlossen sie, zu Fuß zu gehen.
Fünfzehn Gehminuten in Richtung des Hangar-Areals lag in einem seit langem trockengelegten ehemaligen kleinen Kesselmoor ein Atomschutzbunker, wie er in den neunziger Jahren angelegt wurde – mehr als Statussy m bol, denn aus kriegerischer Notwendigkeit. Es handelte sich um ein inzwischen veraltetes Volksmodell für 24 Personen. Immerhin verfügte es über eine Klimaschleuse, eingebaute Stau- und Schlafkojenräume, über ein una b hängiges Überlebenssystem inklusive Licht- und Saue r stoffversorgung, eine Kombüse und ein chemisches WC. Um ungestört und eigenständig arbeiten zu können, hatte Professor Nevart vor drei Jahren sein persönliches A r beitsstudio in diesen Schutzraum verlegt, was in der G e gend zu allerlei Spekulationen Anlaß gab. Auch wurde der Bunker an das örtliche Wasser- und Energienetz a n geschlossen. Eine muschelartige Garage nebst betonierter Gleitrampe bot ideale Einsatzmöglichkeiten für diverse Luftkissen-Rover, die in dem gesamten Feuchtgebiet di e ser abweisenden, aber unverfälschten Landschaft für Mobilität garantierten. Das ehemalige Kesselmoor mit seinem Rundumwall war nach Absenkung des Bunkers mit Erdreich aufgeschüttet worden. Nun glich die Anlage einem grasbewachsenen Hügel, der sich über einem H ü nengrab wölbte.
Und Hünengrab war auch Gundas erster Eindruck, als sie mit ihren beiden Brüdern das Ziel erreichte. Doch das behielt sie für sich.
Über eine schmale Treppe aus Formsteinen gelangten sie zur Eingangschleuse, die Olaf mit einem Papi l larschlüssel öffnete.
Das Sicherheitssystem funktionierte ganz simpel. Auf einem Hartmetallstreifen waren – als persönliches Signet – die Tastlinien von zwei Fingerkuppen eingeätzt. Wu r den die Wirbel, Schleifen und Bogen elektronisch als Ident i tätsmuster erkannt, öffnete sich das Türschloß. A u ßer dem Professor konnte sich nur Olaf persönlich zu dem Schutzraum Zutritt verschaffen. Eine akustische Inne n schleuse blockte unliebsame Begleiter ab, wenn deren Akustikspektrum nicht erfaßt und eingespeichert war.
Die letzte Parole für diese Phono-Sperre lautete sinn i gerweise „Schwarze Nofretete“ …
Endlich standen sie zu dritt vor einer der mobilen Stel l wände mit dem bunten Poster der schwarzen Schönheit.
„Black ist beautiful“, sagte Gunda leise, „auch im dri t ten Jahrtausend.“
„Black is not beautiful. Not, not, not!“ Olaf wies auf das NOT, das mit einem dolchartigen Gegenstand in das Plakat geritzt war. Nicht bloß geritzt. Geschnitten, g e hackt, gefetzt. Dreimal! Mit einem dolchartigen Gege n stand? Hatte er dem Reporter gegenüber nicht den gle i chen Ausdruck gebraucht, als er das zerschnittene Hu n defleisch erwähnte? Aber weder dort noch hier war ein Messer zu finden. Und schon gar kein Bronzedolch. Seit Vaters Verschwinden hatte er schon ein dutzendmal nach verräterischen Spuren gesucht.
Ulf fühlte sich benommen. Die elliptische Grundko n struktion des umfunktionierten Schutzraumes vermittelte ihm den Eindruck, als befände er sich in einem Schiff s bauch. Die Gehstege und Arbeitsplattformen aus Metal l rosten verstärkten diesen U-Boot-Effekt ebenso wie ein i ge Lüftungsrohre, die in einem Ansaugturm endeten.
„Vater konnte manchmal in Wut geraten“, gab Gunda vor dem Plakat zu. „Aber mit dem Messer auf ein Poster einzustechen, das paßt einfach nicht zu ihm. Ganz und gar nicht. Außerdem liebte er den Schwarzen Erdteil!“
Ulf besah sich den zertrümmerten Spiegel. Es sah nicht aus, als wäre dies durch ein Versehen passiert. Verzerrt blickte ihm aus den Scherbenresten eine Gesichtshälfte entgegen. Er erschrak einen Moment. Nicht umsonst sa g ten alle, daß er Vater am ähnlichsten sah. Der Professor war nie eitel gewesen, was sein Äußeres betraf … Und doch mußte er den Spiegel mit Absicht …
„Vielleicht konnte er seinen Anblick nicht mehr ertr a gen“, folgerte Ulf unvermittelt und versuchte ein Fazit zu ziehen: „Black ist not beautiful … Bestattet, aber nicht begraben … und anstelle des HIER RUHT mußte auf seine Grabplatte die Sieben mit dem Krallenfinger ei n graviert werden.“
„Vi-tri-ol!“ Olaf betonte jede Silbe.
„Ich weiß zwar nicht, was Vater mit alledem bezwec k te. Aber vielleicht wollte er uns ein …“ – Gunda schluc k te vor Aufregung –
Weitere Kostenlose Bücher