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Kopernikus 1

Kopernikus 1

Titel: Kopernikus 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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was hier gespielt wird!“ Ulf stand mit geballten Fäusten vor seinem Bruder.
    „Es handelt sich um eine Toteneffigie“, antwortete Olaf.
    „Kannst du dich vielleicht etwas deutlicher ausdrü c k en?!“ Der drohende Unterton war nicht zu überhören.
    „Toteneffigien sind Abbilder von Verstorbenen für r i tuelle Zwe ck e, wenn der Leichnam beim Bestattungsz e remoniell nicht verfügbar ist. In den Tropen ist das keine Seltenheit, weil dort die Verwesung besonders schnell …“
    „Olaf, bitte!“ mahnte Gunda mit Herzklopfen. Sie ha t te Ulf noch nie in einem solchen Zustand gesehen.
    „Wir sind nicht in den Tropen! Also: Wo ist Vaters Leichnam wirklich?“
    „Ich wollte, ich wüßte es.“
    „Willst du mich für dumm verkaufen? Ich könnte dich …!“ Ulf packte Olaf am Kragen.
    „Herr Gott, sei doch vernünftig!“ Gunda versuchte schlichtend auf die beiden Brüder einzuwirken.
    „Wie soll ich vernünftig sein, wenn alles, was ich hö re, wider jede Vernunft ist?! Warum hat Olaf mir von all dem Wahnsinn kein Wort gesagt?“ Er ließ seinen Bruder los.
    „Weil du mir verschwiegen hast, daß du ausgerechnet heute eine Sargöffnung vorhattest. Außerdem konnte ich das Zerfallsdatum von Vaters Replikator nicht wissen. Du warst doch der Lieferant!“
    Ulf ließ sich in einen der Rattansessel fallen. „Ich wollte Vater eben noch einmal sehen. Das ist doch b e greiflich. Oder?“
    Gunda trat hinter ihn und begann seine Schultern zu massieren. „Natürlich ist das verständlich.“
    „Bitte, laß dir alles in Ruhe erklären. Du ahnst nicht, was ich in diesen letzten drei Wochen durchgemacht h a be.“ Olaf setzte sich auf die Kante des Ecktisches.
    „Aber wir hätten doch gemeinsam …!“
    „Als es geschah, warst doch auch du verreist, Gunda! Als hätte Vater eure Abwesenheit ganz bewußt ausg e nutzt“, begann Olaf seinen Bericht. Dann erzählte er i h nen, wie er seinen Vater in dessen streng abgeschirmtem Arbeitsstudio in einem Metglassarg gefunden hatte. „Die Hände über der Brust gefaltet, lag er friedlich und zufri e den da, sehr bleich, sehr weiß.“
    „Vater ist wirklich der letzte, der sich so in einen Sarg legen würde, wenn er sein Ende herannahen fühlt. Das begreife ich nicht!“ brauste Ulf auf. Gunda schlang einen Arm um seine Schulter und setzte sich auf die Sesselle h ne. Diesmal trug sie nicht einen ihrer unvermeidlichen Overalls, sondern ein weich fließendes rostfarbenes Baumwollkleid, auf dem viele kleine Heideblumen blü h ten. An den bloßen Füßen hatte sie Sandalen. Es war schließlich Sommer.
    Olaf registrierte bei sich, daß er für die Reize seiner hü b schen Schwester keineswegs unempfänglich war, und keh r te zu dem anstehenden Thema zurück. „Nach zehn Minuten begriff ich, daß alles Theater war. Vater hatte seine Au f bahrung perfekt inszeniert – mit Hilfe einer seiner Kuns t stoffdoubles. Er selbst ist seitdem verschwunden.“
    „Vater besaß schon immer einen skurrilen Humor, aber das …!“ Ulf schüttelte ratlos den Kopf.
    „Er liebte Rätsel über alles“, erinnerte Gunda.
    „Und koste es das Leben“, zitierte Ulf wie im Besta t tungsetablissement.
    Olaf schilderte nun, wie er drei Tage lang Stunde für Stunde mit dem Luftkissen-Rover alle gefährlichen Ste l len im gesamten Moorgebiet abgesucht hatte, ohne E r folg. Schließlich war die Wahrheit nicht länger zu ve r heimlichen.
    „Die falsche Wahrheit“, betonte Ulf und stand auf. Gunda hockte sich an seiner Statt wie eine Katze in den Sessel.
    „Wäre ich nicht Mediziner – es hätte nie geklappt! So konnte ich mir selbst helfen. Totenschein, Hirnstrom-Nulliniennachweis, Organentnahmeverbot – alles g e fälscht. Wenn es herauskommt, dann helfen uns auch unsere besten Beziehungen nichts mehr“, schloß Olaf.
    „Warum? Warum hat er es bloß getan?“ fragte Ulf immer wieder.
    „Ist’s Wahnsinn, hat es doch Methode“, zitierte Gu n da. Mit einem Ruck setzte sie sich steil auf. „Vielleicht ist Vater verrückt geworden. Und um uns seinen Anblick, seinen Zustand zu ersparen, hat er …“
    „Moment, der Spiegel in seinem Studio war zertrü m mert. Die Scherben liegen immer noch dort.“
    „Hast du nicht etwas von einem Plakat erzählt?“ eri n nerte ihn Gunda.
    „Ja, wir entdeckten die schöne Negerin auf einem P o ster am Museums-Kiosk. Vater taufte sie ‚Schwarze N o fretete ’ und hängte sie bei sich auf.“
    „Los, wir fahren in Vaters Studio! Ich möchte es mir anschauen“,

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