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Kopernikus 1

Kopernikus 1

Titel: Kopernikus 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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hasse sie noch immer. Ich hasse es, weiterzumachen und immer weiter, ohne auch nur ein einziges Mal etwas zu finden, das e i nen verdammten Wert hat. Und immer allein …“ Tränen glitzerten in seinen Augen; ungläubig sah sie, wie sie zu fließen begannen und sein Gesicht mit einem schi m mernden Film überzogen. „Wie diese Verrückten dort unten im Fels, die im Müll hausen und zentimeterweise sterben – wie dieses ganze verfluchte System!“ Sein Körper krümmte sich vor Schmerz und Frustration.
    „Aber wir sind nicht wie sie.“ Unvermittelt erkannte sie die seltsam verdrehten Gefühle, die ihre Seele erfüllt hatten, dort unten im Fels, in der Dunkelheit.
    „Wir sind noch schlechter dran. Wir hatten die Cha n ce, ein Team zu sein, mehr als ein Team, ein …“ Erneut sah er auf zu ihr, und mit ihren Augen hielt sie das Wort zurück, wie sie es schon einmal zurückgehalten hatte.
    „Nein. Niemals.“ Ihre eigene Stimme zitterte und ve r klang rasch. Sie schüttelte den Kopf, die Kraft ihres ga n zen Körpers war nötig, um diese Bewegung zu forcieren. „Nicht nach dem, was geschehen ist.“ Sie wandte ihm den Rücken zu, nicht länger in der Lage, ihre Augen a b zuschirmen. Die kahlen, elfenbeinfarbenen Wände seiner Kabine schienen sich in alle Ewigkeit zu dehnen. „Du wußtest das.“
    „Du wußtest das! Du wolltest mir keine Chance g e ben. Darum hätte dieses Unternehmen niemals erfol g reich sein können, selbst wenn wir etwas Wertvolles g e funden hätten …“ Sein Atem pfiff zwischen seinen Zä h nen. „Zum Teufel, verschwinde von hier. Laß mich a l lein.“
    Sie verließ den Raum, schlug die Tür hinter sich zu und floh durch den engen Schacht in ihre eigene Kabine. Dort kauerte sie lange, mit geschlossenen Augen, begrub sich selbst in der tiefen Schwärze ihres Verstandes, bis sie jegliches Zeitgefühl verlor. Doch das Licht wartete auf sie, sie wußte, daß es wartete – in diesem Raum oder jenseits der Tür oder unter den Millionen Sternen, die endlos in den Tiefen der Nacht schienen. Sie war am L e ben, sie konnte dem nicht entrinnen, und sie mußte nur die Augen öffnen, um das Licht zu sehen, es anzuerke n nen, einen Akt des Vertrauens zu begehen. Und sie zu öffnen war im Endeffekt einfacher, als sie geschlossen zu halten … Sie öffnete die Augen und blinzelte schmerze r füllt in die Helligkeit.
    Sie lockerte ihren Klammergriff um das Metall und stieß sich von der Wand ab, zu der Truhe bei ihrem Bett und der Bettrolle. In ihrem Innern waren die wenigen Besitztümer, ohne die sie niemals wegging, darunter der kleine Karton mit den Übersetzungen der Bücher aus der Alten Welt – den Schlüsseln, die sie von der einsamen Beengtheit ihres Lebens befreit hatten und sie fremde Gedanken und andere Welten hatten teilen lassen. Sie löste die Schnur und öffnete das Kästchen, durchsuchte den Inhalt so vorsichtig wie möglich. Endlich hatte sie das Buch, das sie suchte, gefunden, das eine, das sie nicht mehr berührt hatte, seit Chaim Dartagnan es ihr bei ihrem gemeinsamen Aufenthalt auf Mekka zurückgegeben ha t te.
    Sie öffnete es, die Seiten hoben sich leicht ohne den Druck des Einbands . Sie blätterte sie zögernd durch, wahllos, während sie in der Luft hing. Ihre Augen fanden eine jener wohlbekannten Phrasen in diesem Essay, zu denen sie mit ihrer eigenen Handschrift eine Antwort geschrieben hatte. Sie blätterte eine weitere Seite um, sofort fiel ihr die Handschrift eines Fremden unter ihrer eigenen auf. Sie hatte geschrieben: Es ist vielleicht ei n sam, tot zu sein; doch das kann nicht einsamer sein, als es ist zu leben. Und als Antwort hatte der Fremde g e schrieben: Ja, ja, ja …
    Das Buch entglitt ihrer kraftlosen Hand, sie fühlte, wie ihr eigenes Gesicht tränenfeucht wurde. Sie weinte, wie sie noch niemals, soweit sie sich erinnern konnte, g e weint hatte, füllte den leeren Raum mit ihrem Jammer, weinte um all die Jahre, in denen sie das Leben fer n gehalten hatte, ließ die Verachtung der Welt auf sie einstürmen und sie verwunden. Sie weinte bis zur E r schöpfung und darüber hinaus und wußte doch, mit all dem Weinen konnte sie nicht den letzten Rest ihrer Reue wegwischen. Doch schließlich wurde ihr Körper leicht genug, um seine eigene Trägheit zu überwinden, sie ve r ließ ihren Raum und durchquerte den Schacht erneut. Sie klopfte leise, dann etwas lauter an Chaims noch immer verschlossener Tür, aber er antwortete nicht. Daher stieß sie die Tür auf.

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