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Kopernikus 1

Kopernikus 1

Titel: Kopernikus 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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Bedeutung.
    „Einmal im Jahr“, löste sich Abt Ratgar aus seiner Erstarrung, „fällt hier durch das schmale Ostfenster ein Sonnenstrahl und erhellt für wenige Minuten eine sonst im Dunkeln verborgene Inschrift.“
    „Kennen Sie die Stelle?“ Eigentlich war diese Frage überflüssig.
    „Ich kenne den Wortlaut, Doktor Nevart: Vi-tri-ol!“
    „Vitriol?“
    „Das erstaunt Sie?“
    „Das ist ein Sammelbegriff für Säure! Als Anschrift in einer Kapelle ergibt das doch keinen Sinn.“
    „Irrtum“, korrigierte ihn der Abt, „hinter jedem Buchstaben steht nämlich ein Punkt! ‚Nicht erkannt vom Erkennenden, erkannt vom Nicht-Erkennenden’.“
    „Der Wortlaut Ihrer Tele-Info!“
    „Ich hoffte, daß Sie mich verstehen würden, Doktor. Und schlage vor: den Wortlaut der Abkürzung gegen die Reliquie, gegen unseren Kreuzschlüssel.“
    Olaf bemühte sich um Fassung und einen klaren Kopf. „Aber ich schwöre beim Leben meines Vaters, daß mir diese Reliquie unbekannt ist.“
    Der Abt erhob sich zu seiner ganzen Größe. „Sie schwören beim Leben Ihres Vaters?“
    „Beim Leben meiner Schwester, bei meinem Augenlicht, bei was immer Sie wollen!“
    Eine lastende Pause entstand. Die hellen Augen Olafs hielten dem Blick des Abtes stand.
    „Gut, ich vertraue Ihnen.“
    „Den Wortlaut der Inschrift. Bitte! Was verbirgt sich hinter diesem V.I.T.R.I.O.L.?“ Unwillkürlich krampfte Olaf beide Hände ineinander.
    „Visita Inferiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem!“ Der Abt sah seinem Gegenüber an, daß er kein Latein verstand und übersetzte betont langsam: „Suche das Untere der Erde auf, vervollkommne es, und du wirst den verborgenen Stein finden! Nach Basilius Valentinus, einem Gnostiker aus dem zweiten Jahrhundert. Der ‚verborgene Stein’ ist ein Synonym für die höhere Erkenntnis, für den Stein der Weisen sozusagen.“
    „Suche das Untere der Erde auf, vervollkommne es …“, wiederholte Olaf wie in Trance. Aber sein Gehirn reagierte hellwach.
    Vaters Versuche mit synthetischer Humussäure, mit chemischen Schnellverrottern! Die Risikofaktoren bei den Endversuchen waren dem Professor natürlich bekannt. Das hatte ihn zu einem ersten Hinweis an uns veranlaßt … VITRIOL, das eingemeißelte Zeichen auf der Schmucktafel seines Metglassarges. SÄURE! Das war die Lösung: Er hatte sich verätzt … sein Gesicht wurde schwarz, moorleichenschwarz. Genauso wie die Gesichter seiner zwei Doubles, die er dunkel eingefärbt hatte, um unauffälliger im Moor mit ihnen experimentieren zu können. Black is not beautiful! Er zerschlug den Spiegel. Und weil er uns den schrecklichen Anblick ersparen wollte, verkroch er sich wie ein waidwundes Tier. Trotz allem hoffte er, daß die Fehlpigmentierung zurückgehen würde. Also mußte er Zeit gewinnen … das aufschäumbare Hundefleisch … der Bioblock … das Überlebensgel! Jetzt paßte das Puzzle zusammen. Olaf packte den Abt an seinen schimmernden Schultern. „Wir müssen sofort in die Katakombe!“
    Der Mann stand wie ein Fels. „Ohne den Kreuzschlüssel?“
    Olaf erschrak über den körperlichen Kontakt und ließ seine Arme fallen. „Dann bleibt mir keine andere Wahl; ich fordere vom TGD Sprengspezialisten an!“
    „Das würde den Heidentempel zerstören!“
    „Eine Steinkapelle gegen ein Menschenleben? Und Sie zögern noch? Sie, der Streiter für die reine Lehre?!“ Olaf beherrschte sich nur mühsam. „Außerdem glaube ich Ihnen nicht, daß Sie keinen Zweitschlüssel besitzen!“ Er schrie diesen Satz, daß er als Echo von den Wänden hallte. Das illuminierte Asketenantlitz fiel ins Dunkel zurück.
    „Keiner, der nicht zu uns gehört, darf das Geheimnis der Pforte zur Wahrheit erfahren“, antwortete der Schatten.
    „Und mein Vater?“
    „War unser Siegelbewahrer. Er allein konnte, ohne aufzufallen, den Heidentempel betreten und betreuen, sooft er wollte.“
    „Wir müssen in die Katakombe!“ Olafs Forderung klang wild und zu allem entschlossen.
    „Wollen Sie, daß Gunda und Ihr Bruder dabei sind?“
    „Wir bitten Sie darum!“
    „Ich kenne einen Gang, einen Fluchtgang. Kommen Sie!“
    Olaf empfand dieses Kommando wie eine Erlösung.
    Der Abt schritt ihm voran, öffnete lautlos die Türe und trat ins Freie. Als Olaf die Kapellentüre schloß, kreischte sie wieder in den Angeln. Es klang wie der Todesschrei eines Vogels.
    Gebückt und keuchend bewegten sich vier Männer und eine Frau durch den Kondenswasser schwitzenden Röhrengang. Der

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