Kopernikus 4
Cohen von ‚Hoovers Androiden’“, stellte er sich mit Tenorstimme vor. „Entschuldigen Sie bitte den Irrtum. Wir nehmen Modell 10-A zurück und schicken Ihnen 12-A so schnell wie möglich. Ich hoffe, Sie hatten keine Unannehmlichkeiten, weil es über Nacht hier war.“
„Ich habe nichts dagegen, ein Mädchen über Nacht dazuhaben“, gab ich zurück und starrte auf seine Knubbelnase. „Tatsächlich bin ich mit dem Modell zufrieden. Warum ändern Sie nicht meinen Auftrag – dann ist alles wieder in Ordnung.“
Howard Cohen nickte und ließ den überraschten Ausdruck auf seinem Gesicht höflich wieder verschwinden. „Natürlich, Mr. Wills. Ich freue mich, Ihnen behilflich sein zu können.“
Ich nickte und schloß die Tür. Es war ein schöner Tag, und ich lächelte in mich hinein, als ich die Treppe hinaufstieg. Ich blieb nur einmal stehen, um ein Stückchen Papier aufzuheben, das auf dem Teppich lag. Und ich wußte, daß alles in bester Ordnung sein würde.
Joachim Körber
Im Grauen Land
Welch einzigartiges Gefühl, hier zu sitzen, so hoch über dem Rand der Welt, und hinabzublicken in die zerfallende, morbide Einöde aus Stein und Staub, totem Asphalt und nacktem Fels tief unter mir.
Kein Hauch regt sich, keine Turbulenzen, die die Luftschichten leicht erzittern lassen, schwer lastet die bleierne Atmosphäre auf der pulvrigen, grauen Erde, nichts vermag den grauen Staub zu verwehen, nicht der geringste Laut dringt von dort unten herauf, nur die schwachen Geräusche der Station sind zu vernehmen, gedämpftes Summen und ein unterschwelliges Pfeifen und Winseln, das Knistern überlasteter Kondensatoren und weit, weit entfernt die gedämpfte Unterhaltung zweier Stimmen.
Irgendwo dort draußen geht der wolkenverhangene graue Himmel, unmerklich für das Auge, in die schieferfarbenen Hänge jener uralten Gebirge über, deren zerklüftete, verkarstete Steilwände schon zu lange den Unbilden der Witterung getrotzt haben und die nun doch noch ihre verdiente Ruhe fanden, begraben unter einem Leichentuch feinsten Staubes, das sie bedeckt und vor der bleichen, flackernden Sonne verbirgt.
Verkrüppelte, tote Baumruinen, die ihre skelettartigen, knorpeligen und blattlosen Äste in stummer Verzweiflung zum gleichgültigen Himmel emporrecken, weit entfernt die Seen und Meere, die sterbend und ölig in ihren Betten umherschwappen, und ringsum himmelhohe Felswände, rissig und zermürbt – das ist die Szenerie, die sich dem Auge hier im grauen Land darbietet, Stasis, Stigma des Todes und des mühsam gebändigten Chaos, gefangen hier in den steinernen Höhlen und Enklaven dieses sterbenden Reiches, gehalten und bezwungen von den eisigen Fingern der Einsamkeit.
Wie lange schon bin ich, sind wir hier, bemüht im Streben nach Erkenntnis, und wie lange schon spottet das stumme Reich dort unten unseren Bemühungen durch Ignoranz, Unnahbarkeit und nichts weiter als schweigende Duldung?
Helen schließlich unterbricht die Stille, indem sie mir etwas Tee und eine dicke, wollene Decke bringt, hierher zu meinem hohen Beobachtungsposten, der halbaufgerichtete Liegestuhl knarrt, als ich mich ihr zuwende; blondes Haar, das schon langsam in Weiß übergeht, obwohl sie noch nicht alt ist, Enttäuschung und Verbitterung haben ihr einst schönes Gesicht gezeichnet, Anzeichen eines langen Aufenthaltes hier in der Einöde, doch auch Zeichen dafür, daß der morbide, satanische Zauber dieser Landschaft noch nicht in ihren Geist vorgedrungen ist.
„Du solltest hereinkommen, es ist kalt hier draußen“, beginnt sie etwas zaghaft. „Peter und ich machen uns Sorgen um dich.“
Peter, mein Assistent, steht hinter mir in der Tür, mich umdrehend gewahre ich für einen kurzen Moment sein Lächeln, halb verachtend und halb triumphierend, selbstsicher und eine Spur zu arrogant mustert er mich. Wieder blicke ich Helen an, doch sie schlägt die Augen nieder und wendet sich ab, die Gewißheit, daß ich sie bald verlieren werde, gräbt sich plötzlich mit feurigen Lettern in mein Bewußtsein ein. Während ich langsam den heißen, dampfenden Tee schlürfe, wende ich meine Aufmerksamkeit wieder der Landschaft zu, wo die Hänge des Gebirgszuges schon leicht im Schatten verblassen.
„Wie spät ist es?“ Die Frage gilt Peter, der sich langsam umdreht, um im Stationsraum die Uhr abzulesen.
„Halb fünf“, entgegnet er schließlich.
Halb fünf auf irgendeiner willkürlich festgelegten Zeitskala, einzig gebildet, um ein gewisses Maß an
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