Kopernikus 6
schüttelte den Kopf. „Du solltest wirklich mitfahren“, sagte Doktor Morse. „Das wird dir Spaß machen.“
„Das ist etwas, was Männer tun“, erklärte ich ihr. „Frauen verstehen davon nichts.“
„Sie werden doch nur hintendrauf mitfahren!“
„Lastwagen. Jagd. Feuer. Das sind Männerangelegenheiten“, sagte ich.
Nur einer der Lastwagen kam zurück. Alle bis auf Tuka, Kuara und einige der Bantus waren dabei. „Der Wagen ist im Sand steckengeblieben; die Weißen wollen bis zum Morgen warten, um ihn herauszuziehen“, sagte Gai. „Tuka will daneben schlafen. Du weißt, wie verrückt er nach Lastwagen ist!“ Alles lachte. Außer mir. Ich fühlte eine pochende Leere in meinem Herzen; ich ärgerte mich, daß ich mich nach ihm sehnte.
Dann kam der Regen. Es war Ga Go – männlicher Regen. Ein starker, plötzlicher Guß, nicht gleichmäßig und sanft wie der weibliche Regen, der das Land mit Wasser erfüllt. Regen in der Ga-Zeit! Alle jauchzten und tanzten vor Freude. Sogar die Weißen tanzten. Ein Wunder, sagten die Leute. Ich dachte an den Honigdachs in der Kuma-Zeit und hatte Angst. Ich fühlte mich einsam. Trotz meiner Angst oder vielleicht wegen ihr tat ich etwas Törichtes. Ich schlief ein Stück von den anderen abseits.
In der Nacht kam das Stille wieder über mich. Num löste sich aus meinem Bauch. Ich hatte es nicht gerufen, ganz bestimmt nicht. Ich hatte nicht einmal daran gedacht. Ich spürte im Schlaf, wie mein Körper sich verkrampfte. Im Traum konnte ich mein flaches, hastiges Atmen hören. Die Angst packte mich und schüttelte mich wie den Zweig eines Ni Ni-Busches. Ich sank in die Erde. Tuka und Kuara standen mit hängenden Schultern im dampfenden, knöcheltiefen Wasser des Wasserlochs, wo wir getanzt hatten. Kuara hatte den Kopf eines Gnus auf; an Stelle der Augen hatte er glühende Kohlen. Alles, was er immer wieder sagte, war: „Lauf weg, Mutter.“
Ich erwachte im Schatten. Etwas Dunkles glitt über mich, bevor ich mich rühren konnte. Ich sah noch, wie Gai unter dem Mond grinste. Dann hielt mir eine Hand den Mund zu.
Doktor Stefanko kommt wieder, als ich mit der Hütte fertig bin. Sie und Gai bringen Häute von Warzenschwein und Kudu, Stacheln vom Stachelschwein, Schildkrötenpanzer, Straußeneier, einen Wetzstein, eine Ahle, zwei Assegaiklingen, Töpfe aus Bantu-Ton. Gai grinst, während er die Sachen hinstellt. Doktor Stefanko beobachtet ihn. „Er hätte auf der Erde nicht unverheiratet bleiben müssen, wenn deine Leute ihn nicht auf diese Rolle festgelegt hätten“, sagt sie zu mir, als er weggeht. Dann geht auch sie.
Später bringt sie Kuara.
Er rennt unbeholfen durch das Gras, das ihm fast bis ans Kinn reicht. „Mama“, schreit er, „Mama, Mama“, und ich fange ihn in meinen Armen auf, schwenke ihn herum und lache. Ich lege meine Hände auf seine Wangen; seine Arme sind um meine Taille geschlungen. Er ist wirklich. Tatsächlich. Ganz wirklich, mein Kuara! Die Tränen strömen mir übers Gesicht. Er wirkt hohläugig, und sein Haar ist geschoren. Aber ich lasse keine Sorge an mein Herz. Ich weine vor Freude, nicht vor Kummer.
Doktor Stefanko geht, und Kuara und ich reden miteinander. Er schwätzt von einem seltsamen Schlaf und Doktor Stefanko und Gai, während ich ihm das Lager zeige. Wir spielen mit den Knöpfen, die Doktor Stefanko mir gezeigt hat; einer von ihnen läßt in dem kleinen Winkel zwischen dem Himmel an der Wand und dem Himmel an der Decke eine Reihe von Fensterchen erscheinen. Die Fenster sehen aus wie eine Schnur von eckigen Perlen. Von dort spähen Gesichter herunter. Kinder. Alte Männer. Frauen mit Gesichtern wie Springhasen. Menschen vieler Rassen. Ich sage ihm, er solle niemanden anlächeln oder zu bemerken scheinen. Nicht einmal die Kinder. Die
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