Kopernikus 6
gegen die enge Umarmung, aber er wacht nicht auf. Im Traum gleite ich aus mir heraus, schüre das Feuer und tanze den Elentanz. Mein Körper glänzt vor Elenfett. Meine Augen starren geradeaus ins Dunkel, und ich halte den Kopf hoch und steif. Ich singe und hebe und senke dabei meine Füße, tanze immer ums Feuer herum. Andere Frauen klatschen und singen die Kia-Lieder der Heilung. Männer spielen auf der Guaschi und dem Saitenbogen. Die Musik schwingt und trillert und schwirrt. Der Rhythmus widerhallt in mir. Jeder Muskel kennt die Melodie. Aus meinen Augen quellen Tränen. Meine Beine sind bleischwer vor Schmerz. Und immer noch tanze ich weiter.
Dann endlich steigt das Num auf. Es löst sich aus meinem Bauch und bläst mit Feueratem mein Rückgrat empor. Ich bekämpfe die Furcht. Ich tanze gegen das Grauen an. Ich erzittere im Brand. Meine Augen verengen sich vor Qual. Ich sehe nicht, wie die Frauen klatschen und singen. Mein Atem geht flach, heiß und keuchend. Meine Brüste hüpfen. Ich tanze. Das Num steigt weiter. Es berührt den Eingang meines Gehirns. Es erfüllt meinen Kopf. Mein ganzer Körper ist wach und brennt. Mein Fleisch steckt ganz voller Dornen. Meine Brüste sind glühende Kohlen. Ich fühle, wie Geister, heiße Geister, Geister der Vergangenheit, sich in meinen Schädel drängen. Ich taumele zur Hütte; Kuara und U, mein altes Ich, erwarten mich. Ich schlüpfe in ihr Fleisch wie jemand, der in die kühlen, schlammigen Wasser einer ganzjährig feuchten Pfanne gleitet. Ich schlüpfe zwischen ihre Angst und Trauer und ihre schmerzliche Freude an Kuara, der neben ihr liegt.
Sie bewegt sich. Ihr Kopf rührt sich im Schlaf. Ein leises Stöhnen; Ablehnung. Ich gleite tiefer hinein. Ich werde wieder zu ihr. Mein Kopf glüht vor Num und Geistern. „U“, flüstere ich, „ich bringe dir alle Geister deines früheren Ichs und die deines Volkes.“ Noch einmal stöhnt sie, aber schwächer, das lustvolle Stöhnen einer Frau beim Liebesakt. Ihr Körper streckt sich und erstarrt. Ihre Nägel schrammen über Kuaras Rücken. Dann nimmt sie mich, nimmt sich selbst auf. Ich erfülle ihr Fleisch.
Und bringe ihr das Stille, zum dritten Mal in ihrem Leben. Tiefer und tiefer sickert sie in den Sand und läßt nichts von sich selbst zurück; ihre Hände halten Kuaras Handgelenke fest, und sie zieht ihn mit, die Perlhuhnfeder des Zani weht hinter ihm her wie im Wind. Sie kommt durch den Sand, durch die Betonfundamente von Carnival, durch das Mondgestein, wühlt sich immer tiefer wie ein Dachs. Sie bricht durch in eine Dunkelheit mit silbernen Lichtstreifen: den Kern des Mondes, wo die verstorbenen Ahnen hausen, die Geister des Kia. Unter Schreien von Entsetzen und Freude fällt sie mit flatterndem Kaross zu Boden. Im Mittelpunkt der Höhle, wo Wasser wie kaltes Silber glänzt, wartet Tuka mit ausgestreckten Armen. Er lacht – ein schrilles, gequältes Kichern. Nur so kann ein Geist lachen, der in seinem Schlaf gestört wurde. Heute nacht werden die drei tanzen: U, Tuka, Kuara.
Dann wird er ihr das Geheimnis des Oa-Giftes beibringen, das aus der weiblichen Larve des Mistkäfers gepreßt wird. Er wird sie lehren, Pfeilgift herzustellen. Ein Gift, gegen das die Buschmänner kein Gegengift kennen.
Wenn sie wieder zu Gai und Doktor Stefanko zurückkehrt, wird sie auf der Jagd sein.
Sie wird keine Tiere jagen.
Howard Waldrop Die häßlichen Hühner
THE UGL Y CHICKENS
Mein Auto war kaputt, und um elf hatte ich ein Seminar zu halten. Also nahm ich den Bus, etwas, was ich selten tue.
Den letzten Sommer hatte ich damit verbracht, mit Kameras und Tonbandgerät durch die Wälder des Big Thicket zu krauchen und Photos und Tonbandaufnahmen von zwei der letzten elfenbeinschnäbligen Waldspechte der Welt zu machen. Die Filme können Sie bei Ihrer örtlichen
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