Kopernikus 6
Nacktheit des Fleisches gesehen hatte, als mein Leben sich selbst in Stücke riß. Noch einmal stellte ich diese Frage, halb auf eine Antwort wartend, und ich sah zu, wie mein Atem sich in fedrige Fetzen verwandelte, dampfend in der silbrigen Kälte der Sterne.
Die Sonne schoß herauf wie ein Meteor. Sie jagte über den Horizont empor mit dieser rastlosen, trügerischen Geschwindigkeit, an die sich auch die Eingeborenen von Welt niemals gänzlich gewöhnen konnten. Neues Licht überflutete uns, blau und hart zu Beginn, und es vertiefte die Schatten und ließ ihre Ränder messerscharf erscheinen. Die Sonne stieg weiter am Himmel hinauf und verschluckte die Sterne, und ein Schwall von wäßrigem Rosa wischte die Nacht vom Horizont. Das Licht vertiefte sich und wurde zu einem sanften Gold. Wir schwebten durch silbernen Dunst, der die buckligen Knie des Berges mit seinen Wirbeln umgab. Ich bemerkte, daß ich lautlos weinte, während ich über den hochaufragenden Grat zwischen Dunst und Himmel dahinmarschierte, und mit einem frischen Hunger sog ich den Morgen in mich hinein und kämpfte dabei mit einem Gedanken, der für meinen Verstand immer noch zu groß war und mir immer wieder trügerisch entglitt, gerade so weit, daß ich ihn nicht zu fassen vermochte. Mit leisem Summen stellten sich unsere Thermoanzüge auf die steigenden Temperaturen ein, von Schwarz nach Weiß polarisierend und Wärme in die Luft verströmend. An den Hängen und im ganzen Tal unter uns, das jetzt sichtbar wurde, da der Dunst an uns vorüber kreisend zu den Berggipfeln strebte, starben die Nachtpflanzen dahin; man sah, wie sie verwelkten, in meilenlangen Streifen des Verfalls. Innerhalb von Sekunden waren die Mönchsberge kahl und unfruchtbar – Hügel aus Asche und Knochen. Die Sonne war jetzt eine unscharfe gelbe Scheibe, umgeben von Lichtkränzen in Rot und dunkler werdendem Purpur, die nach oben hin in das frostige Blau der dünnen Luft übergingen. Ohne die mildernde Vegetation wirkten die Berge hart und rauh wie Bimsstein, von Mondschatten durchschnitten. Zu unseren Füßen erschienen die ersten Tagespflanzen wie ein grünes Spinnennetz; sie zwängten sich durch die Risse in der trockenen Erde hervor.
Wir stießen auf einen neuen Bach, der sich von schmelzendem Eis ergoß und eine staubige Rinne überflutete.
Eine Stunde später erreichten wir das Tal.
Heynith führte uns in die marschähnliche Ebene hinunter, die sich von den Bergen bis zum Horizont erstreckte. Wir marschierten im weiten Bogen und näherten uns dem Tal vorsichtig vom Flachland her.
Heynith hob die Hand und deutete auf mich, Ren und Goth. Die übrigen schwärmten aus, versteckten sich am Eingang des Tales und ließen sich dort nieder, um zu warten. Wir gingen allein hinein. Das Speergras war rasch gewachsen; es war bereits brusthoch. Wir krochen hinein und achteten darauf, daß unsere Bewegungen mit dem rauschenden Morgenwind übereinstimmten, so daß man jede Regung des Grases für eine natürliche Bewegung halten würde. Es kostete eine halbe Stunde staubiger, schweißtreibender Arbeit. Als ich das Gefühl hatte, mich weit genug hineingeschlängelt zu haben, hielt ich an und teilte das Speergras langsam so weit, daß ich hinausspähen konnte, ohne den Kopf zu heben.
Es war ein großer Vactransporter, fünfzehn Meter lang und mit automatischer Ladevorrichtung.
Er parkte nahe am Hang, am Rande des weiten Tals.
Drei Männer standen daneben.
Ich duckte mich wieder ins Gras, überzeugte mich davon, daß meine „Pistole“ bereit war, und kroch dann mühsam auf den Transporter zu.
Er war dicht vor mir, als ich wieder hochsah, etwa sechs Meter entfernt in der Mitte einer freien Fläche. Ich konnte
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