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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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und wir fühl­ten uns steif und sprö­de. Wir schlu­gen auf un­se­re Ar­me und Schen­kel und stampf­ten um­her, um den Blut­kreis­lauf in Gang zu brin­gen. Ster­ne fun­kel­ten am Him­mel, wie Salz­kör­ner auf schwar­zem Por­zel­lan. Ich stell­te fest, daß ich sie im­mer noch nicht ent­zif­fern konn­te. Die Tag­pflan­zen wa­ren ver­schwun­den, die Tag­tie­re in einen Starr­krampf ver­fal­len. Die Nacht­pflan­zen bra­chen aus der Er­de, ge­nährt von den Über­res­ten der Tag­pflan­zen. Sie wuch­sen rasch, ver­dop­pel­ten, ver­drei­fach­ten ih­re Hö­he, wäh­rend wir zu­sa­hen. Es wa­ren haupt­säch­lich di­cke, kleb­ri­ge Bü­sche mit brei­ten, pfeil­för­mi­gen Blät­tern von mat­ter pur­pur­ner und schwar­zer Fär­bung, et­was über einen Me­ter hoch. Goth und ich gru­ben ei­ne An­zahl da­von aus, oh­ne die Wur­zeln zu be­schä­di­gen, und leg­ten sie auf die Pla­ne, um die Tag­pflan­zen zu er­set­zen, die bei der ers­ten Be­rüh­rung mit der bit­te­ren Abend­käl­te zu­sam­men­ge­schrumpft wa­ren. Wir muß­ten mit wat­tier­ten Hand­schu­hen ar­bei­ten, denn die Blät­ter ab­sor­bier­ten gie­rig auch die ge­rings­te Wär­me und brann­ten wie Tro­cken­eis.
    Dann wa­ren wir wie­der im Gra­ben, und es war schlim­mer als zu­vor. Die Be­we­gung hat­te ein we­nig Er­leich­te­rung ge­bracht, aber ich spür­te, wie die be­täu­ben­de Pa­nik zu­rück­ge­kro­chen kam, und die vor­über­ge­hen­de Er­leich­te­rung mach­te es noch schwe­rer, sie zu er­tra­gen. Ich ver­such­te, ein Ge­spräch in Gang zu brin­gen, aber es erstarb in ein­sil­bi­gem Grun­zen, und die Stil­le saug­te je­des Echo auf. Hey­nith über­prüf­te zum x-ten Ma­le me­tho­disch die La­ser­steue­rung. Er war an­ge­spannt; ich sah, wie sei­ne Schul­ter­mus­keln sich straff­ten, wie sei­ne Wa­den sich stein­hart wölb­ten, als er sich ge­gen die Fuß­stüt­zen des Sat­tels stemm­te. Goth sah noch schlim­mer aus als ich. Er war et­was jün­ger und für ge­wöhn­lich ener­gisch und fröh­lich. Aber nicht in die­ser Nacht.
    Wir hät­ten mit­ein­an­der re­den, den Schmerz tei­len sol­len. Ich glau­be, das war uns al­len klar. Aber es ging nicht. Un­se­re ei­ge­ne, ganz be­son­de­re Ver­traut­heit mach­te uns un­be­hol­fen. Ir­gend­wann ein­mal hat­te je­der von uns einen Punkt er­reicht, wo er re­den muß­te, wenn er nicht ster­ben woll­te, so­gar Hey­nith, so­gar Ren. Und so hat­ten wir al­le ein­mal ge­re­det und zu­ge­hört, je­der von uns frü­her oder spä­ter in der einen oder an­de­ren Rol­le. Je­der von uns hat­te sei­ne Ängs­te, sei­ne Träu­me und sei­ne ge­hei­men Er­in­ne­run­gen über die an­de­ren aus­ge­gos­sen, bis wir ein­an­der all­zu gut kann­ten. Es mach­te uns Angst. Je­der von uns hat­te Angst, zu­viel of­fen­bart, zu vie­le Schran­ken nie­der­ge­ris­sen zu ha­ben. Wir hat­ten Angst vor der Ver­wund­bar­keit, vor dem Mes­ser, das sich die weichs­te Stel­le des Bau­ches sucht. Wir al­le tru­gen schon un­se­re Nar­ben mit uns her­um, und wir wa­ren dop­pelt zu­rück­hal­tend. Und wir be­reu­ten im­mer mehr, daß an­de­re uns so hilf­los, so ver­wund­bar ge­se­hen hat­ten. So rich­te­ten wir die Mau­ern wie­der auf, mas­si­ver als zu­vor. Und jetzt, da wir noch ein­mal ein Ge­spräch brauch­ten, konn­ten wir nichts mehr sa­gen. Wir wa­ren ein­an­der zu na­he ge­kom­men, um ei­ne wei­te­re Ver­traut­heit zu ris­kie­ren.
    Vi­sio­nen kehr­ten zu­rück, ab­sin­kend und wie­der an­schwel­lend, und über­la­ger­ten die Dun­kel­heit.
    Das bro­deln­de Mag­ma, wie es sei­nen hei­ßen, nach fau­len Ei­ern stin­ken­den Atem her­vor­speit.
    Der Ka­dett, sein Ge­sicht un­mensch­lich im To­des­krampf, das Blut läuft in Strö­men über sei­ne zer­schmet­ter­te Stirn, füllt ei­ne Au­gen­höh­le, blub­bert um sei­ne Na­sen­lö­cher, schäumt auf sei­nen Lip­pen, und sei­ne Lip­pen span­nen sich, als der Kopf vor und zu­rück zuckt und auf die Er­de schlägt, und wer­den dann schlaff, der Kör­per sackt zu Bo­den, der Mund klappt auf, Blut und Schleim ström­ten über die grab­stein­haf­ten Zäh­ne, rin­nen über Kinn und Hals und durch­trän­ken den Stoff der

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