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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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fassen vermochte. Mit leisem Summen stellten sich unsere Thermoanzüge auf die steigenden Temperaturen ein, von Schwarz nach Weiß polarisierend und Wärme in die Luft verströmend. An den Hängen und im ganzen Tal unter uns, das jetzt sichtbar wurde, da der Dunst an uns vorüber kreisend zu den Berggipfeln strebte, starben die Nachtpflanzen dahin; man sah, wie sie verwelkten, in meilenlangen Streifen des Verfalls. Innerhalb von Sekunden waren die Mönchsberge kahl und unfruchtbar – Hügel aus Asche und Knochen. Die Sonne war jetzt eine unscharfe gelbe Scheibe, umgeben von Lichtkränzen in Rot und dunkler werdendem Purpur, die nach oben hin in das frostige Blau der dünnen Luft übergingen. Ohne die mildernde Vegetation wirkten die Berge hart und rauh wie Bimsstein, von Mondschatten durchschnitten. Zu unseren Füßen erschienen die ersten Tagespflanzen wie ein grünes Spinnennetz; sie zwängten sich durch die Risse in der trockenen Erde hervor.
    Wir stießen auf einen neuen Bach, der sich von schmelzendem Eis ergoß und eine staubige Rinne überflutete.
    Eine Stunde später erreichten wir das Tal.
    Heynith führte uns in die marschähnliche Ebene hinunter, die sich von den Bergen bis zum Horizont erstreckte. Wir marschierten im weiten Bogen und näherten uns dem Tal vorsichtig vom Flachland her.
    Heynith hob die Hand und deutete auf mich, Ren und Goth. Die übrigen schwärmten aus, versteckten sich am Eingang des Tales und ließen sich dort nieder, um zu warten. Wir gingen allein hinein. Das Speergras war rasch gewachsen; es war bereits brusthoch. Wir krochen hinein und achteten darauf, daß unsere Bewegungen mit dem rauschenden Morgenwind übereinstimmten, so daß man jede Regung des Grases für eine natürliche Bewegung halten würde. Es kostete eine halbe Stunde staubiger, schweißtreibender Arbeit. Als ich das Gefühl hatte, mich weit genug hineingeschlängelt zu haben, hielt ich an und teilte das Speergras langsam so weit, daß ich hinausspähen konnte, ohne den Kopf zu heben.
    Es war ein großer Vactransporter, fünfzehn Meter lang und mit automatischer Ladevorrichtung.
    Er parkte nahe am Hang, am Rande des weiten Tals.
    Drei Männer standen daneben.
    Ich duckte mich wieder ins Gras, überzeugte mich davon, daß meine „Pistole“ bereit war, und kroch dann mühsam auf den Transporter zu.
    Er war dicht vor mir, als ich wieder hochsah, etwa sechs Meter entfernt in der Mitte einer freien Fläche. Ich konnte das Holo-Emblem erkennen, das als Identifikation an der Seite pulsierte: das Symbol für Urheim, die größte Stadt von Welt und Sitz des Kombinatsvorstands auf der anderen Seite des Planeten, in der nördlichen Hemisphäre. Sie hatten einen weiten Weg zurückgelegt; man empfand ihn immer noch als weit, wenngleich sich die Schiffe flüsternd zwischen den Sternen bewegten – für Füße und Augen war es ein weiter Weg. Und noch einen anderen, weiteren Weg hatten sie hinter sich gebracht: den von den Embryos in gläsernen Retorten zu Männern, die vor Kälte zitternd und von einem Bein aufs andere tretend in einer Bodensenke am Fuße eines Berges standen und zuschauten, wie der Morgen sich ausbreitete. Es war ein komisches Gefühl, daran zu denken. Ich fragte mich, ob sie wohl ahnen mochten, daß dies der letzte Morgen war, den sie erleben würden. Das war ein noch komischeres Gefühl. Wieder kitzelte dieser Gedanke meinen Verstand und wich tanzend zurück. Ich überprüfte noch einmal und unnötigerweise meine Pistole.
    Ich wartete und kämpfte ein Gefühl der Unruhe nieder. Zwei von ihnen standen dicht vor dem Transporter; sie teilten sich einen Zerstäuber mit einem milden Narkotikum, tief inhalierend und unruhig und frierend mit den Füßen scharrend. Dabei starrten sie über das Speergras hinweg auf die Ebene jenseits des Tales. Sie hatten das steife, zerknautschte, hohläugige Aussehen von Leuten, die soeben eine unbequeme Nacht in einem engen Raum verbracht hatten. Ihre Kleidung war die von ungeklonten Vollbewußten – Junioroffiziere der Militärkaste, eine Position, die sie wahrscheinlich von ihren Familien ererbt hatten wie die meisten der ungeklonten Exekutivkadetten. Abgesehen von den Kadern in Urheim und anderen großen Städten gehörten sie zu den wenigen überlebenden Klansleuten; Hunderttausende von Militärkadetten und Offizieren waren in D’kotta getötet worden (zusammen mit zahllosen Klonen und Halbbewußten aller Rangstufen), und die Kaste war ohnehin nie übermäßig groß gewesen.

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