Kopernikus 6
konnte.
Er sah sich um.
Auf einmal hatte er das Gefühl, von allen Seiten beobachtet zu werden. Er vermeinte eine ernsthafte Bedrohung von den Menschen um sich her zu spüren.
„Na, Sie sehen ja so unglücklich aus! Stimmt irgend etwas nicht?“
Es war die grüne Informationsdame, die sich neben ihm auf der Bank niedergelassen hatte und sich eine Zigarette anzündete.
„Nein, nein, es ist schon alles in Ordnung!“ Jetzt nur keine Panik zeigen und ruhig bleiben! „Also, ich hätte gewettet, daß Sie gerade den größten Schicksalsschlag Ihres Lebens erlitten haben.“
Sie kicherte vor sich hin. Frank sah sie alarmiert an. Was ahnte sie?
Aber sie zog harmlos an ihrer Zigarette.
„Werden Sie heute wieder ‚Ihren’ Wagen mieten?“
Er schüttelte mißmutig den Kopf.
„Klar, ich würde schon gerne. Diese Anlage fasziniert mich ungeheuer. Aber ich fürchte, es wird heute kaum möglich sein.“
Als er nicht sofort weitersprach, sah sie ihn fragend an.
Diese Dame hatte im wahrsten Sinne des Wortes den Schlüssel zu seinen Millionen. Welches war die richtige Taktik, an diesen Schlüssel zu gelangen? Falls es überhaupt so direkt eine Möglichkeit gab!
Frank entschied sich für die teilweise Wahrheit.
„Gerade habe ich festgestellt, daß ich meine Geldbörse zu Hause habe liegen lassen. Ich werde wohl wieder umkehren müssen.“
Die Dame reagierte nicht. Frank räusperte sich. „Dabei habe ich heute einen meiner seltenen freien Tage!“
Mit Betonung – aber wieder nichts.
Verteufelt gerne hätte er jetzt selbst eine Zigarette zwischen den Fingern haben mögen. Die Dame inhalierte genußvoll.
„Gerade heute ist es hier sehr ruhig“, sinnierte sie. „Ich hätte Ihnen ‚Ihren’ Wagen ohne weiteres überlassen können. Sogar ohne Vorbestellung!“
Frank ging aufs Ganze: „Sie können mir den Wagen nicht mal gegen ein Pfand zur Verfügung stellen?“
Die Dame in der grünen Uniform musterte ihn jetzt aufmerksam.
„Das Pfand müßte immerhin schon einen Wert von hundertfünfzig Mark haben. Was bieten Sie denn an?“
„Ich würde Ihnen selbstverständlich noch heute das Geld bringen, damit Sie abrechnen können!“ Vielleicht hatte sie der flehende Unterton in seiner Stimme beeindruckt, denn sie stand auf und ging zum Informationstisch hinüber.
„Geben Sie mir Ihren Personalausweis!“ rief sie ihm über die Schulter zurück zu. „Ich werde vermerken: persönlich bekannt. Aber denken Sie dran, ich muß für den Betrag geradestehen!“
Seine Hand fuhr in die Innentasche seines Jacketts. Erleichtert fühlte er das Dokument. Aber bei dem Gedanken, sich von diesem Ausweis trennen zu müssen, war ihm dann doch äußerst unwohl.
Schließlich reichte er ihn über den Tresen. Die Informationsdame schlug die Innenseite auf und verglich das Foto mit dem Original. Sehr schmeichelhaft mußte der Vergleich nicht gerade ausgefallen sein, denn sie lächelte etwas anzüglich. Dann notierte sie sich einige Angaben und reichte ihm anschließend die Schlüssel für seinen Wagen herüber.
Kaum eine halbe Stunde später stand Frank wieder am Informationsschalter, um seinen Paß einzulösen. Er gab vor, das Geld doch noch gefunden zu haben.
Das Mädchen sah ihn sehr eigenartig an. Und als er sich umdrehte, entdeckte er Leo, der lässig an einer Säule lehnte und ihn beobachtete.
Frank vergaß alle Vorsicht und spurtete zu seinem Simulationsfahrzeug zurück. Leo versuchte, ihm den Weg abzuschneiden. Aber es gelang ihm noch rechtzeitig, den Wagenschlag zu schließen.
Noch gut zwanzig Minuten blieben ihm. In dieser Zeit mußte er den Marktplatz in der kleinen Modellstadt erreicht und das Fahrzeug verlassen haben. Im Grunde blieb ihm sogar noch weniger Zeit, denn von einem bestimmten Augenblick an würde sich sein Wagen selbständig machen und zu seinem Ausgangspunkt zurückkehren.
Gerade jetzt setzte auf der Anlage die Hauptverkehrszeit ein, und Frank blieb mitten in einem Stau stecken. Immer wieder sah er nervös auf seine Uhr.
Er wußte nicht, wann der Zeitpunkt eintreten würde, an dem der Wagen umkehren und das Parkhaus der großen Stadt ansteuern würde.
Es blieb eine Viertelstunde bis zum Ablauf der Fahrtzeit, als er endlich die freie Landstraße erreicht hatte.
Er bog gerade auf den verträumten Marktplatz ein, als ein Lämpchen rot am Armaturenbrett aufzublinken begann. Das war ihm früher nicht aufgefallen. Aber er ahnte, daß es das Zeichen war, wonach gleich die Fernsteuerung den Wagen
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