Kopernikus 7
– „… da hinten, aus dem Gully, da kann man von unten hochsteigen und rausschauen. Los!“
Er quengelte, wollte sie überreden.
„Laß uns doch da mal runtergehen. Hier ist jetzt sowieso nichts mehr los. Der Eingang ist im Fahrradkeller. Es kann auch nichts passieren. Außerdem habe ich eine Kerze und Streichhölzer dabei.“
Westphal murmelte etwas. Er müsse zum Essen nach Hause und so. Besann sich dann aber, er wollte nicht als Feigling dastehen, und die drei Jugendlichen gingen in den Fahrradkeller hinein.
Chick dachte bei sich: Der hat das geplant, der Dete, ist aber zu feige, allein da runterzugehen. Der glaubt, er müsse jetzt die Schau abziehen, wo der Westphal die geilen Bilder rausgerückt hat.
Im Fahrradkeller war es dunkel, und Westphal griff hastig zur Wand und knipste das Licht an.
„Damit uns hier keiner stört!“ sagte Dete verschwörerisch und schlug die schwere Stahltür hinter ihnen zu.
Im Keller standen die nun leeren Reihen der Fahrradständer, gespenstische Gestelle aus dunklem, verrosteten Eisen, vor den dunkelgrauen, schmutzigen Betonwänden.
Hinter den Säulen sah schwarz und unheimlich die Dunkelheit hervor. Die einzige Lampe im Raum störte sie. Über der Lampe, einer Art Baulampe, war ein Gitter aus schwerem Draht befestigt. Staub hatte sich auf dem gewölbten Glas der Lampe niedergelassen und trübte das Licht. Chick folgte Dete und Westphal und sah zu seinem Fahrrad hinüber, das in der zweiten Reihe vom Gang aus als einziges in dem Gestell stand. Sein alter Schlurren.
Wenigstens hatten die Lutschen ihm heute nicht die Luft aus den Reifen gelassen oder gar die Ventile rausgeschraubt. Diese Arschkekse, dachte er, sollen lieber zu ihren Muttis heimgehen und Hausaufgaben machen.
Ihre Schritte hallten zwischen den kahlen Kellerwänden. Es war kühl hier unten. Dete ging um den letzten Fahrradständer herum und auf eine Einbuchtung in der Wand zu. Es sah aus, als hätte man hier im Beton eine Öffnung für eine Tür gelassen. Die Öffnung war allerdings mit einer großen Platte aus Preßholz abgedichtet.
Sie blieben vor der Platte stehen. Es war noch dunkler um sie geworden. Das diffuse Licht der verstaubten Lampe drang kaum noch in diese Ecke des Fahrradkellers vor.
Dete beugte sich vor und zeigte mit dem Finger nach unten. „Da unten, da ist ein Stück von der Holzplatte abgebrochen. Da können wir einsteigen. Es ist zwar eng, aber wenn man sich ordentlich zusammenquetscht, kommt man noch durch. Außerdem, wenn ich das schaffe, dann schafft ihr das allemal. Wenn ihr durch seid, geht es etwas runter, dann kommt eine Wand, etwa so hoch“ – er zeigte bis zu seinen Schultern – „… da müssen wir rüber. Paßt auf, wenn ihr euch von dieser Wand fallen laßt. Es geht da etwa zwei Meter runter. Und bleibt immer bei mir. Ich habe eine Kerze und Streichhölzer. Da unten ist es stockdunkel.“
Die drei standen dicht beisammen, so daß ihre Körper sich berührten.
Chick traute sich nicht, seiner Angst Ausdruck zu verleihen. Er schwieg und kroch als letzter, Dete und Westphal waren schon verschwunden im Dunkel, durch das Loch. Mit einem letzten Blick, bevor er sich ganz in das Loch rutschen ließ, erfaßte er die trostlose Leere des Fahrradkellers.
Dann setzte er auf dem Boden auf. Er stützte sich mit den Händen ab. Neben sich hörte und spürte er die anderen. Es war dunkel.
„Ich mach die Kerze erst auf der anderen Seite der Mauer an“, sagte Dete.
Chick hörte Kratzen und Schlurfen. Dann ein dumpfes Plumpsen. Über seinem Kopf konnte er das Loch, durch das sie gekrochen waren, nur noch als einen fahlen Schimmer ausmachen.
Er drehte sich um und stieß gegen Westphal, der gereizt aufschrie:
„Paß doch auf, du Idiot!“
Er hörte, wie Westphal sich schnaufend daranmachte, die
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