Kopernikus 7
sich. Sie starrte auf sein Gesicht, das zu zucken begann. Sie fühlte seinen Puls, der taumelnd, flatternd in Gang gekommen war.
Sie wischte ihrem Bruder Erbrochenes und Schweiß von Kinn und Wangen ab, legte ihm eine kühle Kompresse auf und trat, als sie sah, wie er wieder zu sich kam, von seinem Bett zurück. Aus dem Bad, vor dem sie stand, lief das Wasser auf den Flur. Während sie zum Wasserhahn eilte, glitt sie fast aus. Mit flatternden Händen zog sie den Kopf ihrer Mutter aus der Badewanne heraus – er hatte gerade noch mit den Nasenlöchern aus dem randvollen Becken gezeigt.
Unter der Berührung verlor ihre Mutter den starren Blick, ihre Augen kehrten wie aus weiter Ferne zurück, sie röchelte, hustete und erbrach sich. Karin wischte und trocknete ihre Mutter ab, die, noch ganz schwach, in der Ecke lag. Noch bevor sie sprechen konnte, bedeutete sie Karin mit der Hand, daß ihre Fürsorge ausreichend sei, daß das Kind jetzt besser nach dem Vater sah.
Zuerst hatte Karin geglaubt, daß ihr Vater ein Bestandteil der metallenen Wandverkleidung im Kontrollraum geworden sei. Dann aber merkte sie, wie dumm sie doch war – denn eben, als sie dies dachte, rollte er aus der Wand heraus, wo er offenbar auf einem Klappbett lag. Er gähnte, raschelte, räusperte sich und fuhr eine Weile mit beiden Händen wild in der Luft herum.
Dann erst nahm er Karin wahr, die demütig, fast ein wenig linkisch vor ihm stand. Ein Ausdruck der Angst flackerte in seinen Augen auf. Instinktiv horchte er in die Raumschifftiefe hinab, sah mit einem gehetzten Blick die Instrumente an, sprang auf die Beine und riß zwei, drei Hebel herum, unter denen sich – wie Karin wußte – ein rascher Kursbeschleuniger befand. Das Schiff brüllte in der Tiefe auf. Alle Konturen in der Zentrale wurden krumm, und krumm waren lange, haarige Schatten in die Ecken gerollt.
Der Bildschirm flammte auf. Einen Augenblick war es, als rolle von draußen eine gierige Energiesee gegen die Urmiel Rote und grüne Fratzen, gekrümmte Finger sah man da – hier war es ein Gnom, der in einer Ecke des Bildschirms hing, dort war es ein energetischer Aal, aus dem blendend weiße Strahlung fiel. Im Hintergrund bewegte sich ein Baum, von dem ein Dutzend sich windender Schlangen hing.
Wieder brüllte die Urmiel auf. Eine ganze Weile blieben die Konturen in der Zentrale rund und krumm. Minutenlang durchpflügte die Urmiel eine schwarze, schillernde See. Faulblasen platzten über dem Bildschirm auf. Dann, als die Maschine, die jetzt warmgelaufen war, die Energie von draußen auf sich zog, arbeitete sich die Urmiel deutlich sichtbar, Stück für Stück, aus dem Sumpf heraus, ließ das Sumpfloch immer schneller hinter sich. Und dann plötzlich lag vor ihnen der Himmel schwarz und klar, und in ihm schimmerten die vielen Sterne der Milchstraße in ungeheurem Glänze auf.
Wissen Sie, wie das ist, wenn einem vollständige Macht über andere Menschen verliehen ist? Kennen Sie das Gefühl, wenn das Schicksal anderer Menschen in Ihren Händen liegt? Wissen Sie, was Ihnen an magnetischen Kräften zuwachsen kann, wenn Ihnen die Aufmerksamkeit vieler Menschen sicher ist?
Der Weltraum ist, wie wir eingangs sahen, ein wunderbares Ding. In seinem Schoß brütet er eine Vielzahl materieller und energetischer Erscheinungen aus. Eine große Zahl dieser Phänomene, die die Menschheit im Weltraum sieht, ist noch unerforscht. Von dieser Art war auch das Spinnenloch, in dem die Urmiel gefangen war.
Das Schiff erlitt einen Masseschwund, als es in dem Spinnenloch hing. Es brauchte lange Zeit, bis es zu seiner alten Leistung zurückfand. Was die psychischen Phänomene an Bord des Schiffs betrifft, so ist die Frage ihres Wirklichkeitsgehaltes ungeklärt. An verschiedenen Stellen
Weitere Kostenlose Bücher