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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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da­für ge­schaf­fen, mit sechs Glied­ma­ßen um­zu­ge­hen, doch wir kön­nen uns an­pas­sen. Ich lern­te das Ge­hen, Tra­ben und das Ga­lop­pie­ren, und schließ­lich lern­te ich auch noch, mei­ne Ar­me gleich­zei­tig mit der nö­ti­gen An­mut zu be­we­gen. Ich ver­letz­te mich nicht, und nun ist mei­ne Haut – mei­ne mensch­li­che Haut – fast so dun­kel­braun wie mein Fell. Mei­ne Mäh­ne, mein Schweif und die un­te­ren Tei­le der Bei­ne sind schwarz.
    Der Bach fließt lär­mend vor­über. Er ist an­ge­schwol­len vom Schmelz­was­ser des Schnees. Er stürzt über einen Stein­hang in einen Berg­see, in des­sen Tie­fen sich ei­ne an­de­re Welt der Frei­heit ab­zeich­net. Dort wer­den die blau­en Ber­ge zu pur­pur­nen Tä­lern, die man leicht er­rei­chen könn­te, wüß­te man nur den Weg, der ei­nem Zu­tritt zu ih­nen ver­schafft. Die Ber­ge aber sind un­be­zwing­bar. Ei­ner der grö­ße­ren Pe­ga­si er­klet­ter­te sie einst auf der Su­che nach dem Him­mel, doch dann glit­ten sei­ne Hu­fe auf hal­b­em Weg auf bloßem Fels­ge­stein aus, und er fiel. Pfer­de­bei­ne sind nur sehr schwer zu hei­len, da­her wur­de er hu­man ge­tö­tet. So hu­man, wie ihm das Le­ben ge­schenkt wor­den war.
    Die Ober­flä­che des Tei­ches ge­rät in Be­we­gung, und ei­ner vom Meer­volk glei­tet auf die vom Ne­bel feuch­ten Stei­ne. Das ist der Lieb­lings­platz des Meer­volks, wo sie sich auf­wär­men, wenn ih­nen das kal­te Was­ser die Er­in­ne­rung neh­men will, daß sie ei­gent­lich Warm­blü­ter sind. Ich glau­be, das We­sen ist ei­ne See­jung­frau, kann es aber auf die­se Ent­fer­nung nicht mit Si­cher­heit sa­gen. Sie sind al­le schlank und leicht, ha­ben schma­le Schul­tern und hel­les Haar. Die Frau­en ha­ben fast kei­ne Brüs­te und die Män­ner kei­ne an­ge­mes­se­nen Ge­schlechts­or­ga­ne. Sie ha­ben al­le nur Schlit­ze, die, wie bei Fi­schen, halb un­ter den Schup­pen ih­rer Un­ter­kör­per ver­bor­gen sind. Ich ha­be nie ge­se­hen, daß sie mit­ein­an­der ko­pu­liert hät­ten, da­her dient die Öff­nung wahr­schein­lich nur der Aus­schei­dung und der Lust un­se­rer Schöp­fer. In die­ser Hin­sicht sind die Meer­we­sen eben­so de­for­miert wie ich, aber auf ei­ne an­de­re Art. Sie ha­ben über­haupt kei­ne Ge­ni­ta­li­en, ich aber ha­be gleich zwei. Ich bin si­cher, daß ein Bio­in­ge­nieur sich da­mit einen Preis für klu­ges De­sign ver­dient hat. Mein mensch­li­cher Pe­nis be­fin­det sich an der üb­li­chen Stel­le, aber ober­halb der Pfer­de­bei­ne. Mei­ne Heng­st­or­ga­ne sind we­sent­lich dis­kre­ter zwi­schen den Hin­ter­bei­nen ver­bor­gen.
    Die See­jung­frau schlägt mit dem Schwanz aus, fun­keln­de Was­ser­tröpf­chen sprit­zen in die Luft. Ein wei­te­rer An­ge­hö­ri­ger des Meer­volks ge­sellt sich zu ihr. Aber sie be­rüh­ren ein­an­der nicht, zwi­schen ih­nen fin­den kei­ne In­ti­mi­tä­ten statt. Viel­leicht hat man ih­nen sol­che Ge­füh­le bei der Er­schaf­fung ge­nom­men, viel­leicht dämpft das eis­kal­te Was­ser ih­re Hin­ga­be und ih­re Kör­per.
    Doch, oh ja, sie sind sehr hübsch. Wenn ich zum Trin­ken hin­aus­wa­te, kann ich manch­mal ih­re Kör­per un­ter der Was­sero­ber­flä­che se­hen, sie schwim­men ge­mäß ih­ren ei­ge­nen, nicht nach­voll­zieh­ba­ren Mus­tern, ihr hel­les Haar schwebt hin­ter ih­nen her, gol­den, schar­lach­rot, sil­bern, ih­re Schup­pen schim­mern hell­blau, oran­ge und schwarz, aber im­mer mit ei­nem me­tal­li­schen Schim­mer. Ih­re Schwanz­flos­sen sind wie Ga­ze, wie Bro­kat oder durch­sich­ti­ge Sei­de, in der man die Ve­nen se­hen kann. Ih­re Kie­menschlit­ze bil­den un­zäh­li­ge Li­ni­en über Rücken, Nacken und Keh­len.
    Sie spre­chen nie­mals.
    Wür­de ich aus mei­nem Ver­steck her­vor­tre­ten, die bei­den Meer­we­sen wür­den au­gen­blick­lich un­ter der Was­sero­ber­flä­che ver­schwin­den. Zwei kon­zen­tri­sche Krei­se win­zi­ger Wo­gen wür­den auf­wal­len und lang­sam wie­der ver­schwin­den, und ich wä­re wie­der al­lein. Da­her be­we­ge ich mich nicht. Ich be­ob­ach­te die herr­li­chen Ge­schöp­fe, die sich son­nen und mit ge­le­gent­li­chen Be­we­gun­gen

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