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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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seines Vaters waren zu einer dünnen, weißen Linie zusammengepreßt.
    Sobald Tommy die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann sein Vater ihn anzubrüllen, und bebend vor Schreck begriff Tommy, daß die Schule seine Eltern angerufen und ihnen mitgeteilt hatte, daß man ihn zum Psychiater hinuntergeschickt hatte und weshalb. Tommy stand da wie gelähmt, während sein Vater auf ihn zukam. Er sah, wie die Lippen seines Vaters sich bewegten, und er hörte die Lautstärke des Gebrülls, das über ihn hereinbrach, aber einzelne Worte konnte er nicht unterscheiden, als redete sein Vater in einer rauhen, fremden Sprache zu ihm. Alles, was er verstehen konnte, war die Wut. Die Hand seines Vaters schoß vor wie eine zubeißende Schlange. Tommy spürte, wie starke Finger ihn packten und roh das Vorderteil seiner Jacke zusammenknüllten. Sein Kragen zog sich würgend um seinen Hals, und dann wurde er hochgehoben und geschüttelt wie eine Puppe. Tommy rührte sich nicht. Starr vor Angst hing er in der Faust seines Vaters und seine Füße baumelten in der Luft. Die Finger, die ihn festhielten, waren wie Stahlklammern – es gab keine Hoffnung auf Flucht oder Widerstand. Er wurde noch höher gehoben, und langsam beugte der Vater seinen Ellbogen, um Tommy dichter an sein Gesicht zu bringen. Tommy war eingehüllt von dem nach Tabak riechenden Atem seines Vaters und von einem stechenden Geruch nach starkem Erwachsenenschweiß, er sah die feinen Haare in den Nasenlöchern seines Vaters, die weißen Linien der Anspannung, die Mund und Nase umgaben, die roten, blutunterlaufenen Wutflecken in den gelblichen Augen eine bebende, graueneinflößende Landschaft, die bedrohlich vor ihm aufragte, so groß wie die Welt. Sein Vater hob seine freie Hand hinter sein Ohr. Tommy konnte die großen, knotigen Knöchel der Hand sehen, als sie auf ihn zuschwang. Seine Mutter begann zu schreien.
    Dann fand er sich am Boden liegend wieder. Er erinnerte sich an einem Moment von Schrecken und Schmerz, und eine Sekunde lang wußte er nicht, wo er sich befand. Dann hörte er wieder die Stimmen seiner Eltern. Seine Wange schmerzte, und in seinem Ohr summte es; es schien ein wenig taub zu sein. Zaghaft berührte er sein Gesicht. Es fühlte sich roh an und prickelte schmerzhaft wie von tausend feinen Nadelstichen. Unsicher kam er auf die Beine, und sein Kopf schien zu schwimmen. Seine Mutter war vor seinem Vater an die Trennwand zur Küche zurückgewichen, und sie schrien einander an. Etwas Heißes, Metallisches stieg schwellend in Tommys Kehle, aber seine Stimme versagte. Sein Vater fuhr zu ihm herum. „Raus mit dir!“ schrie er. „Geh in dein Zimmer, geh ins Bett. Ich will dich nicht mehr sehen.“ Hölzern ging Tommy hinaus. Seine Lippe blutete an der Innenseite. Er schluckte das Blut hinunter.
    Tommy lag schweigend in der Finsternis und lauschte bewegungslos. Die Stimmen seiner Eltern waren noch lange zu hören, und dann verstummten sie. Tommy hörte, wie die Tür zum Schlafzimmer seines Vaters zuschlug. Einen Augenblick später drang der Ton des Fernsehers wieder aus dem Wohnzimmer, ruhig und unaufhörlich vor sich hinmurmelnd, ein ständiges Wispern über die Aliens, die Aliens. Tommy lauschte dem Wispern, bis er endlich einschlief.
    In dieser Nacht träumte er von den Aliens. Es waren große, schattenhafte Gestalten mit roten Augen, und sie bewegten sich lautlos und bedächtig über die trockene Ebene. Ihre Füße strichen über die Staubskelette der Blumen, ohne sie zu berühren. Eine riesige Menschenmenge war auf der ausgedörrten Ebene versammelt, Millionen von Menschen, die sich aneinanderdrängten, Reihe um Reihe, soweit das Auge reichte, aber die Aliens bemerkten sie nicht. Sie gingen an den Menschen vorüber, als könnten sie sie nicht sehen. Ihre roten Augen huschten endlos suchend hin und her. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Menge, ohne sie wahrzunehmen, und ihre Bewegungen waren von weicher, fließender Anmut. Sie waren schön und gefährlich. Ein mattes, sanftes Lächeln lag in ihren Gesichtern, und Tommy wußte, daß es freundliche, liebenswürdige Killer waren, die beiläufig und friedlich töten würden, beinahe so, als wäre es eine hebe volle Geste. Als sie ihn vor sich hatten, blieben sie stehen. Sie schauten ihn an. Sie können mich sehen, erkannte Tommy. Sie können mich sehen. Und einer der Aliens lächelte ihn wohlwollend an und streckte die Hand aus, um ihn zu berühren.
    Seine Augen klappten auf.
    Tommy knipste die

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