Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
wenn die Strahlen der TransMat meine Schienen kreuzen, sagen wir, wenn jemand von Styx nach Hades transmatiert. Die Reisenden erzählen Geschichten von Begegnungen mit einem Mann, einem grünäugigen Riesen, der lacht. Er ist zwischen den Sternen, ganz wild blickend, ganz grimmig. Oft hält er einen Krug mit Würz-Grog. Immer ist er mit einer nilgrünen Uniform bekleidet. Wenn sie nicht mit dem Sternenzug gefahren sind, kennen sie mich nicht. Sie haben seltsame Träume von grüngekleideten Riesen zwischen den Sternen und fürchten sich davor, die TransMat wieder zu benutzen. (Sie sehen auch hagere Männer sowie Frauen zwischen den Sternen, wenn ihre Strahlen die Schienen unserer Trassen kreuzen. Das sind die Leute von stillgelegten Linien. Es sind die gleichen, die ich sehe, wenn ich Bahnhöfe auf Austauschwelten passiere. Sie sind die Trassen von Eisenbahnlinien, deren Züge nicht mehr verkehren. Sie leben nur für einen Augenblick, wenn ein Zug vorüberfährt, sie sind Bahnhofsgeister. Wird auch mir das zustoßen? Wenn ich geschlossen werde, wird es nur noch zwei Linien geben: Orsinis und Rosalindes. Ich werde nur noch kurz leben, wenn ihre Züge passieren.) Die Sterne sind voller verlassener Schienenstränge, stillgelegten Linien. Klare, angstvolle Träume für die TransMat-Passagiere und kurze, lebende Momente für uns, die wir die Schienen sind.
    Rosalinde und ich reisen für eine Weile gemeinsam. Für die vierzig Stunden von Mittelweg nach Kohleneimer treffen sich unsere Schienen (das wird mir bleiben, wenn der Rest meiner Linie stillgelegt wird). Kohleneimer ist ihre Endstation, ihr Umkehrpunkt. Dort ist sie sehr alt. Gegen Ende ihrer Reise altert sie sehr schnell. Ich habe Rosalinde nie als wirkliche Person kennengelernt, nur als Geist der Schienen. Ihr wirkliches Leben lag hundert Jahre hinter meinem. Sie ist grau und humpelt kraftlos auf dem Schienenkorridor entlang. (Nicht ihr Körper, aber ihre Persönlichkeit war bedeutend, als ihre Schienen gelegt wurden, und obwohl sie wenige Tage nachdem ihre Strecke vollständig war starb, war ihre Persönlichkeit bis zum Ende vital, ein so starker Magnet, daß sie Züge auf das Anderthalbfache ihrer Eigengeschwindigkeit beschleunigt, und wir kreischen und rattern während unserer gemeinsamen vierzig Stunden.)
    Ich frage die Frau im Salonwagen, warum sie mit der Eisenbahn fährt. „Warum bezahlst du soviel und verwendest soviel Zeit für die Reise, wenn du die TransMat benutzen könntest?“ frage ich.
    „Mein Ur-Ur-Großvater baute eine Eisenbahnlinie, eine Strecke hinter Styx .“ Ihre Augen funkeln wie die Sterne vor uns, ein violetter Doppler -Effekt-Blick. „Einmal bin ich seine Strecke mit ihm gefahren, eine Tagesreise in den Sprung. Dort am Rand sah ich, wie groß er war – ist es dumm und abgedroschen zu sagen, daß ich sah, wie groß er war? Alle Sterne dieses Seitenarms waren hinter uns, und die vollkommene Leere war vor uns. Es ist etwas ganz anderes als die TransMat.“
    Der Weltraum ist so groß! Sie sagt dies mit einer solch bemerkenswerten Ungezwungenheit, diese schmächtige Frau mit dem kastanienbraunen Haar, mit einer solchen Ungezwungenheit und mit einer solchen Ehrfurcht. Wo ist ihr Ur-Ur-Großvater jetzt? Er ist auf der Route zwischen Styx und dem Rand, ausgespannt über tausend Lichtjahre, gänzlich gefangen und zwischen sie gezwungen, niemals einen Planeten berührend, niemals den Sternen näher oder ferner als er es jetzt ist. Der Weltraum ist so groß! Sie nippt an ihrem Drink, einem dampfenden Schaum, und erfreut sich daran zu sagen, daß sie mich nicht haben will, da sie nicht weiß, wer ich sein werde. Und ich bin von Dauer, Lichtjahre vor mir ohne einen einzigen Wechsel, ohne einen einzigen Unterschied!
    Jetzt keucht sie schwach, starrt mich an, und fragt: „Was war das? Was ist passiert?“
    Die Schienen hier, hinter Centaurus, sind in keinem guten Zustand. Mein Abbild war hier nie besonders gut, so daß ich aufblitze und verschwinde, aufblitze und verschwinde, und der Zug rüttelt weiter voran. Man hat versucht, die Trasse hier zu reparieren, hat versucht, dort aufzufüllen, wo ich dünn und schwächlich bin, so daß ich dort anders aussehe. Ich kann die Nachbilder der anderen erkennen, die dort erschienen sind, wo ich bin. Ich verschmelze mit ihnen und sie mit mir. (Was denken sie, diese minutenlangen Flicken aus Menschen, schon seit Jahrhunderten tot, die nur in winzigen Segmenten leben, die die Stränge meiner Schienen

Weitere Kostenlose Bücher