Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
erinnerten, die einst in den Wäldern der Alten Erde gejagt hatten. Vorfahren, die für sie größer als Götter waren, Blutsverwandte.
    „Ich habe nachgedacht“, sagte sie schließlich. „Über die Krankheit.“
    „Bitte. Sprich nicht davon.“ Seine Stimme war heiser, ähnelte fast einem Husten.
    „Ich glaube, wir sollten die Hütten verlegen“, sagte sie, ohne auf ihn zu achten.
    „Die Hütten verlegen?“
    „Ja. Tiefer in den Sumpf hinein. Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert.“
    Dumpfer Schmerz wütete in seinem Schwanz. Er erinnerte sich an die anderen Umzüge: manchmal bis zur Brust im Schlamm stehen und versuchen, die Hütten am Auseinanderfallen zu hindern.
    Vor dem ersten Umzug hatte sich Chola auf eine Erhebung gestellt und objektiv über die Seuche und die Gründe für den Umzug gesprochen.
    „Der Restberg könnte radioaktiv verseucht sein“, hatte sie gesagt, und später, mit einem emotionellen Schwung ihres Armes: „Aber wir wissen, daß im Innern des Sumpfes Leben existiert!“ Unter ihr erstreckte sich die Fläche des Sumpfes, lediglich unterbrochen von einigen aufragenden Restbergen, so weit das Auge reichte.
    Die Styelenier hatten ungeduldig mit überkreuzten Armen zugehört und zu Boden gestarrt. Schließlich hatte Leeani das Wort ergriffen – sorgsam darauf bedacht, weder den Blick zu heben, noch mit lauter Stimme zu sprechen, um die Argumente ihrer Gegnerin dadurch nicht zu unterstreichen – und gesagt: „Was weißt du denn vom Leben im Sumpf, Terranerin? Du bist zu nachtblind, um auch nur Bogratten zu jagen. Richtig, einige von uns lieben die Sümpfe … aber nur zum Jagen, nicht, um dort zu leben. Findest du es hier oben heiß? Ist die Luft so feucht, daß dir manchmal das Atmen schwerfällt? Dann solltest du einmal versuchen, unten in den Sümpfen zu atmen.
    Vielleicht werden die Sumpfwesen, von denen du sprichst, auch einfach nicht von der Krankheit befallen.“
    Doch am Ende hatte sich sogar Leeani gefügt. Sie hatte sich gefügt, weil Nassam es verlangt hatte. Und außerdem war im Angesicht einer Krankheit, die selbst die Kräftigsten vor Schmerz schreien und manchmal blutige Tränen in die Augen der Kranken treten ließ, jede Tat besser als Nichtstun.
    Im Sumpf war die Todesrate tatsächlich zurückgegangen. Innerhalb von zwei Jahren waren nur sechs gestorben – Ko und Matla-Opeck nicht mitgezählt, die man bereits auf Bahren zum neuen Lebensraum hatte tragen müssen. Im Vorjahr waren es noch zwölf gewesen. Weiterhin war die Geschwindigkeit, mit der die Krankheit fortschritt, in den Sümpfen drastisch zurückgegangen. Watablu hatte es vierzehn Monate ausgehalten. Und Chola war nach fünf Monaten immer noch gesünder, als Pleena es nach zwei Wochen gewesen war.
    Sie waren noch zweimal umgezogen. Durch den Erfolg des ersten Unternehmens optimistisch gestimmt, hatte Chola die anderen davon überzeugt, daß die Strahlung mit zunehmender Entfernung von den Restbergen noch weiter abnehmen konnte.
    Doch die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle war in der Folge konstant geblieben.
    „Sie werden sich niemals zu einem weiteren Umzug überreden lassen“, sagte Nassam und blinzelte in der stickigen Feuchtigkeit des Hütteninneren.
    Chola stemmte sich auf die Ellbogen, aus ihrem Lächeln wurde ein Ausdruck zornigen Unglaubens. „Natürlich nicht. Zwei Rückschläge, und schon gibt dein Volk auf! Den meisten scheint ihr Tod überhaupt nichts auszumachen. Ihr geht einfach hin und jagt, bis ihr umfallt!“
    Er senkte den Blick. Stille trat ein. Dann umklammerte sie seinen Arm, zog sich näher an ihn heran und sah flehentlich zu ihm auf. „Du mußt dafür sorgen, daß sie mir zuhören“, bat sie. „Wir müssen es weiterhin versuchen.“ Sie drehte sich um und griff in die Dunkelheit hinter sich, woraufhin sie ein großes Blatt aus dem Schatten am Kopfende des Bettes hervorholte. Der Wedel schimmerte unten und war an der Spitze ausgefranst, er war etwa doppelt so breit und dreimal so lang wie ihre Hand und sah wie eine vergrößerte Zunge aus. „Schau dir das an“, sagte sie. Sie strich mit dem Fingernagel über das fleischige Blatt. Eine durchsichtige Flüssigkeit tropfte heraus.
    Sie befeuchtete einen Finger und hielt ihn an seine Lippen. „Koste das.“ Er kostete – dann verzog er das Gesicht, kostete aber erneut. Wasser. Bitte, aber nichtsdestotrotz Wasser.
    „Wir leben schon die ganze Zeit im Sumpf“, sagte sie, „aber erst seit dem ich bettlägrig bin, ist mir

Weitere Kostenlose Bücher