Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
wieder hochfederten, wenn er vorbei war, aber das klang irgendwie nicht richtig. Er hielt an, um darüber nachzudenken. Ein ruhiges Murmeln erfüllte den Wald, als ob alles gemächlich und rhythmisch atmete. Tommy fühlte sich, als hätte ein riesiges, freundliches, grünes Wesen ihn verschlungen, nicht weil es ihn fressen wollte, sondern bloß, um ihn friedlich und beschützt in seinem Bauch sitzen zu lassen. Selbst die aufgeforsteten Setzlinge waren größer als er. Als er dastand und dem Wald lauschte, verspürte Tommy plötzlich den Drang, weiter hinunter in den tiefen Wald zu steigen und mit den Thants zu plaudern, aber dann würde er überhaupt nicht mehr zur Schule kommen. Räder, so entschied er schließlich, würden an den Wurzeln hängenbleiben, und so schaltete er auf das Luftkissen um. Er schwebte den Weg entlang, den Beschleunigungshebel ganz nach unten gedrückt, denn allmählich begann er sich doch ein wenig besorgt zu fragen, was wohl mit ihm geschehen würde, wenn er zu spät käme.
    Er schaltete auf die Räder um und drang aus dem Wald heraus auf die Highland Avenue. Hier herrschte dichter Verkehr. Auf der Straße drängten sich große Lastwagen und Sattelschlepper, unterwegs hinunter nach Boston und hinauf nach Portland. Tommy mußte fast zehn Minuten warten, bis eine Lücke im Verkehr kam, damit er auf die andere Straßenseite hinüberrennen konnte. Seine Mutter hatte ihm verboten, diesen Weg zur Schule zu nehmen, also ging er hier entlang, sooft sich ihm eine Möglichkeit bot. Eigentlich war sein Haus nicht mehr als eine halbe Meile von der Schule entfernt, gleich am Ende der Walnut Street, aber Tommy nahm stets diesen unglaublichen Umweg. Er allerdings sah das anders – auf diese Weise kam er an allen seinen Lieblingsplätzen vorbei.
    So rollte er in aller Zufriedenheit am Rande der Straße entlang. Auf dieser Seite lag offenes Grasland, voll mit wildem Weizen und niedrigem Gebüsch und bewohnt von Jebling-Familien, die zwischen der Straße, die sie mieden, und dem Wald am anderen Ende des Graslandes hin und her huschten. Tommy rief sie, als er an ihnen vorüberrollte, aber Jeblings sind immer sehr scheu, und heute schienen sie besonders furchtsam zu sein. Wie alle anderen Leute waren sie schwer auszumachen, wenn man direkt hinsah, aber aus dem Augenwinkel konnte er hin und wieder einen Blick auf sie erhaschen: spindeldürre, bohnenstangenartige Gestalten, dicke Kürbisköpfe, glühende Schlitzaugen und lächerlich lange, dünne Finger. Sie waren ständig in Bewegung – er hörte, wie sie durch das Gebüsch brachen, und ihr schrilles, nervöses Kichern folgte ihm noch eine Weile über die Straße. Aber sie kamen nicht heraus, sie blieben nicht einmal stehen, um mit ihm zu reden, und er fragte sich, was sie wohl aufgestört haben mochte.
    Als die Schule in Sicht kam, zog eine Staffel von Kampfflugzeugen über ihm vorbei, hoch und schnell. Sie hinterließen lange weiße Narben am Himmel, und ihr kreischendes Getöse folgte ihnen mit mehreren Sekunden Verspätung. Eine Formation von größeren, etwas langsameren Flugzeugen folgte ihnen. Bomber? dachte Tommy, und Erregung und Schrecken erfüllten ihn gleichzeitig, als er zusah, wie die großen Flugzeuge dröhnend über dem Horizont verschwanden. Vielleicht war das der Krieg. Sein Vater redete immer vom Krieg und daß er das Ende von allem sein würde – eine Aussicht, die Tommy interessant, wenn auch nicht unbedingt wünschenswert fand. Vielleicht waren die Jeblings deswegen so aufgeregt.
    In diesem Augenblick ertönte die Glocke, die das Ende der ersten Stunde bezeichnete. Sie traf Tommy wie ein Peitschenhieb und erschreckte ihn weit mehr als seine Gedanken an den Krieg. Jetzt werde ich wirklich Ärger kriegen, dachte er, und begann zu rennen, zu sehr von Panik ergriffen, um sich in etwas anderes als einen kleinen Jungen zu verwandeln oder die neue Formation von schweren Bombern zu bemerken, die grollend von Nordosten herankam.
    Als er die Schule erreichte, waren die Klassen bereits umgezogen, und die zweite Stunde hatte vor fünf Minuten begonnen. Die Gänge waren hell und leer und voller Echos, wie ein schimmernd erleuchtetes Grabgewölbe. Tommy wollte weiterrennen, als er das Gebäude betreten hatte, aber der Lärm, den er hervorrief, war so furchtbar und schreckenerregend, daß er sogleich wieder in einen normalen Schritt verfiel. Es würde sowieso keinen Unterschied mehr machen, jetzt nicht mehr. Seinen Ärger hatte er bereits.
    Alle in der

Weitere Kostenlose Bücher