Kopf frei
in dir aus?
Am einfachsten ist es sicher, wenn wir unsere Redegewohnheiten zusammen mit anderen vom Zwangsverlauf befreien. Aber auch alleine zu üben tut gut!
Hugo im Dauergeblubber
HUGO:
Lotti, du brauchst nicht mit mir über diesen Punkt zu sprechen. Das wird nur peinlich. Es gibt nichts, wozu ich keinen Kommentar abzuliefern hätte. Aber das weiß ich jetzt.
LOTTI:
Gib mir doch eine Kostprobe. Stell dir vor, wir wären auf einer Hochzeitsfeier. Und tu mir den Gefallen, deine Kommentare noch zu übertreiben.
HUGO:
Okay. Dir zuliebe. Da vorne sind ja die Gäste. Sind ganz schön viele. Da kommt die Braut. Sie ist weiß gekleidet. So ein großes Auto. Ach, da ist der Bräutigam. Ich schätze, dass wir 15 Grad haben. Im Mai könnte es eigentlich wärmer sein. Ich habe mir die dicke Jacke angezogen. Das Festmahl ist in dem Haus da drüben. Das mit dem Dach. (Lotti lacht.)
??? FRAGEN UND ANTWORTEN
Sagen wir, ein Theaterstück begeistert mich, kann ich dann nicht kommentieren: »Oh, was für ein schönes Stück?«
Meistens transportiert der Tonfall den Bärenanteil der Befindlichkeit. Diese könnte ich jedoch auch in Worte fassen, indem ich nicht so sehr das Ereignis da draußen kommentiere, etwa das Theaterstück, sondern das Ereignis in mir zur Sprache bringe. Dann würde ich zum Beispiel sagen: »Oh, ich habe Lust, wie in dem Theaterstück auch mal auf dem Boden ein Festessen zu zelebrieren. Ich fühle mich total inspiriert durch die vielen verrückten Ideen.« Dadurch erfasse ich die tiefere Wirkung, die das Stück auf mich hat. Und je tiefer, desto spannender.
Durch das Kommunikationsmodell kann ich mich selbst kennenlernen?
Ja.
Wieso gilt es, bei Kommentaren zum Offensichtlichen wachsam zu sein? Weil ich sonst nicht merke, dass ich diese Kommentare überhaupt mache. Wachsamkeit ist Präsenz im Gegensatz zum Automatismus. Alles automatische Gerede ist ein Stockwerk unbewusster als das nicht reflexhaft Gesprochene. Noch ein Stockwerk unbewusster sprechen wir, wenn wir überdies verstrickt sind.
Was meinen Sie mit »verstrickt«?
Ich unterscheide zwischen Bewusstheit und Verstrickung. Je bewusster ich bin, desto wacher sind auch die Gedanken, die ich denke und äußere. Umgekehrt gilt: Je unbewusster ich bin, umso mehr werde ich von unfreiwilligen Gedanken und Emotionen überschwemmt.
Das heißt: Verstrickung ist Unbewusstheit?
Ja, immer. In der Verstrickung packt mich etwas, anstatt dass ich etwas packe. Auf der Bewusstseinsskala von 0 bis 100 ist es der Punkt 50, bei dem die Verstrickung beginnt. 6
Ist das Ziel Ihres Kommunikationsmodells, den Kopf immer freier zu bekommen?
In der Tat: Es ist ein regelrechtes Kopf-frei-Training, mit dem wir uns mehr und mehr für die Fullinger-Erfahrung disponieren können.
Wenn ich einen Kommentar zum Offensichtlichen mache, könnte es ja sein, dass ich gerade dadurch Kontakt herstellen möchte. Nämlich, indem ich herausfinde, ob der andere die Situation genauso empfindet.
Das könnten Sie ihn direkt fragen!
Stellt sich die Wachheit irgendwann automatisch ein?
Schön wär’s! Ich glaube sicher, dass alles trainierbar ist. Ich glaube allerdings auch, dass jedem noch so guten Trainingswillen Grenzen gesetzt sind.
Wie meinen Sie das mit den Grenzen?
Dass es auf die Tiefe des Wollens ankommt. Wenn mein Wollen grenzenlos ist, dann sind auch die Ergebnisse grenzenlos. Es scheint aber, dass die Tiefen des Wollens bei Menschen unterschiedlich sind, warum auch immer.
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Trainingspunkt
Festlegende Äußerungen unter die Lupe nehmen
RED DICH NICHT FEST, SONDERN FREI!
Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.
Ödön von Horváth
Festlegende Äußerungen entspringen der Erfahrung, die wir mit uns und der Welt gemacht haben. Erfahrungen sind nur gelegentlich einigermaßen objektiv. Deshalb setzt pauschales Verallgemeinern einen Schlussstrich vor die Zukunft. Wer sagt, alle Männer seien launisch und nörglerisch und alle Frauen aggressiv und verkopft, verallgemeinert einen Ausschnitt und erschwert damit ein unvoreingenommenes Weltverständnis. Jede Gegenwart ist neu und enthält potenziell mehr Möglichkeiten, als sich die Vergangenheit träumen lässt. Schade also, wenn wir sie durch festlegende Äußerungen behindern!
Einige Beispiele
MANN:
Die Firma Sonstwas hat noch nie Leute ohne Abitur eingestellt; da brauchst du dich gar nicht erst vorzustellen.
FRAU:
Ohne PC-Kenntnisse bist du heutzutage ein
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