Kopf frei
Meinungsschatulle und allen anderen angesammelten Vergangenheitskram.
Diesem Zwangsverlauf brauchen wir nicht ausgeliefert zu sein! Begegnen wir ihm durch Wachheit, indem wir unsere Gespräche auch in dieser Hinsicht bewusst gestalten: Entrümpeln wir einfach Gespräche und Kopf, indem wir nicht mehr assoziativ vom Hölzchen zum Stöckchen »fusseln«. Da oberflächliche Assoziationen überdies
meist langweilig, uns selbst sowieso bekannt sind und dem Gesprächspartner nur Klümpchen aus unserem Wissens-, Meinungs-und Vergangenheitscontainer verpassen, können wir sie im Interesse echten Austauschs weglassen.
Oder andersherum betrachtet: Wer Kontakt, Gegenwart, geistige Erweiterung vermeiden will, stellt seinen verbalen Autopiloten auf Assoziation. So kann er beeindruckend lange Gespräche führen, ohne seinem Gegenüber wirklich etwas mitzuteilen, ihm zu begegnen oder eine relevante Aussage zu machen. Die Technik ist einfach: Er plätschert von Assoziation zu Assoziation und hangelt sich an den jeweils angeklickten Mentalbröseln weiter.
Gudrun und Walter
(Gudrun und Walter im Gespräch auf einem Spaziergang)
GUDRUN:
Hast du das gesehen?! Der Mann da drüben hat eben seinen Hund getreten!
WALTER:
Das hat ein Großonkel, warte mal, ja ein Bruder meiner Oma mütterlicherseits, nein, väterlicherseits, genau, »Großonkel« sagt man, also der Großonkel, Ludwig hieß er, hat auch seinen Hund getreten. Überhaupt Tiere misshandelt. Hühnern den Hals umgedreht.
GUDRUN:
Man sollte gar nicht so viele Eier essen. Das ist ungesund wegen der Fäulnisbakterien.
WALTER:
Bakterien sind doch überall! Die meisten im Spülläppchen.
GUDRUN:
Trotzdem kein Grund für eine Spülmaschine.
WALTER:
Haushaltsgeräte sind einfach praktisch.
GUDRUN:
Was heißt schon praktisch? Also unser Gerd hat jetzt eine Praktikumsstelle in einem guten Hotel.
WALTER:
Ja, mal wieder Urlaub im Hotel, wir machen ja immer Camping. Meine Frau findet das aufregender und ich nur anstrengend.
GUDRUN:
Da! Wieder! Er hat den Hund noch mal getreten!
WALTER:
Mein Großonkel ...
Kommentar : Assoziationen können Gespräche sicher auch konstruktiv vorantreiben, wenn sie an einem Thema oder dem Gegenüber orientiert bleiben und nicht, wie in obigem Beispiel, ausschließlich dem Sprung in jeweils egozentrisch gefärbte Eigenbelange dienen. Für die Vermeidung von Kontakt und Gegenwart ist natürlich nur die oben veranschaulichte Assoziationstechnik brauchbar.
Ausnahmen bilden Assoziationen, mit denen wir vom Bekannten zum Unbekannten gelangen. Sie steigern die geistige Freiheit und den Zugang zu Neuem und sind daher im Gespräch willkommen. Synthese und Transfer sind gedankliche Leistungen aufgrund von Assoziationen, die vom Bekannten ausgehen und über sich hinausgreifen.
Folgende Trainingshinweise trennen die Spreu vom Weizen:
► Es ist aufschlussreich zu beobachten, wie vollautomatisch der Verstand Assoziationen liefert. Das können wir bei uns selbst und anderen wahrnehmen. Es reichen Stichworte, um ganze Assoziationsketten zu aktivieren.
► Als Nächstes ist es wertvoll mitzukriegen, welche gedanklichen Verknüpfungen einen Gedanken weiterbringen, also eher in die Tiefe gehen, und welche in die Breite schweifen.
► Und obendrein wahrzunehmen, welche Gefühle durch die tiefer schürfenden Assoziationen einerseits und welche durch die breit schweifenden andererseits ausgelöst werden!
► Zu guter Letzt eine Grundentscheidung fällen:
► Will ich im Zwangsverlauf meiner Assoziationen gefangen sein?
► Oder will ich die Abläufe in meinem Kopf und somit meine Verbalproduktionen selbst bestimmen?
► Diese Schritte machen es leichter, sich von langweiligen, unproduktiven Assoziationen zu verabschieden. Dabei ist der erste Schritt immer, sie nicht mehr zu verbalisieren. Das vollautomatische Auftauchen lässt dadurch allmählich nach.
Verknüpfen und Trennen – oder Assoziieren und Differenzieren – machen unser Denken aus. Somit sind sie im erwünschten Rahmen unbedingt förderlich. Es wäre abwegig, nicht mehr assoziieren zu wollen. Zur Frustprophylaxe unterscheiden wir am besten zwischen oberflächlicher Breitenfusselei einerseits und tiefer schürfenden Assoziationen andererseits. So verhindern wir, dass das Kind (= nützliche Assoziation) mit dem Bade (= Hölzchen-Stöckchen-Müll) ausgeschüttet wird.
Wir peilen hier ein umfangreiches und uns transformierendes Geisttraining an. Erinnern wir uns an die großen Ziele , die wir verfolgen. In Thesen
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