Kopf frei
genannten Beispiel wäre die Eifersucht zu fragen: »Was brauchst du, um verschwinden zu können?« Sie sagt dann genau das, was sie im Moment fühlt.
Da besteht keine Gefahr, zu psychologisieren?
Nein, denn das Erleben ist so unmittelbar, dass der Kopf genial unterlaufen wird. Und wenn trotzdem ein Repräsentant komplett in der Birne eiert, dann ist genau das der Königsweg, der die Lösung offenbart. Eine hohe – und doch leichte – Kunst!
7
Trainingspunkt
Nicht über Abwesende auf
Kosten Anwesender sprechen
SPRICH ÜBER DICH, ANSTATT ÜBER ABWESENDE HERZUZIEHEN!
Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
Martin Buber
Wer sich emotional packen lässt und dann verbal abschwirrt, verliert augenblicklich nährenden Kontakt zu sich und – wie immer – zu seinem Gegenüber. Haben uns böse Abwesende verletzt, beleidigt, genervt, irritiert, ist die Versuchung groß, unschuldigen Anwesenden damit die Ohren vollzuhängen. Die Ausnahme liegt vor, wenn wir einfach nur über unsere Verletztheit, also unsere gegenwärtige Befindlichkeit sprechen. Dann sind wir bei uns. Das ist erlösend und hilfreich. Es geht dann primär nicht um die abwesende Person, sondern um die eigene Gefühlslage. Das spürt jeder Gesprächspartner, weshalb uns seine Aufmerksamkeit gewiss ist. Reiten wir jedoch auf einem Sündenbock-Pflegetrip herum und regen uns über den Abwesenden auf, ohne auf Konstruktivität zu sinnen, so schwächt uns das Gespräch und zieht den anwesenden Ohrhinhalter gleich mit in die Schwächung.
Halten wir fest: Lebendigkeit, Gegenwartsbezug und Kontakt können wir hervorragend verhindern, indem wir in emotionaler Aufruhr andere mit Gerede über Abwesende überschütten. Besonders wirkungsvoll ist dieses Vorgehen natürlich, wenn die Abwesenden zugleich Unbekannte sind.
Karin und Birgit
Die aufgebrachte Karin erzählt ihrer Freundin Birgit, was irgendein Mann zu ihrer Mutter gesagt hat:
KARIN:
Also stell dir vor, da sagt der Dobenklöber zu meiner Mutter, wenn sie so weitermache, dann würde das bestimmt irgendwo hinführen und dann könne sie ja sehen. Also der hat doch ’nen Knall. Sitzt da hoch zu Ross und meint, er müsse aller Welt erklären, was eine Synkope mit rückwärtigem Aufschwung ist. Und dann hat er immer, wirklich immer, gelbe Socken an. Ich will ja nix sagen gegen Männer mit Ohrringen, aber der hat einen im Ohr und zwar links! Oder doch rechts? ...
Kommentar: Und wenn sie nicht aufgehört hat, so redet sie auch heute noch. Birgit hat keinen Bezug zu dem, was Karin spricht. Sie kommt sich austauschbar vor, fühlt, lediglich Klagemauer ihrer Freundin zu sein. Somit hat Karin auf Kosten der Anwesenden über den Abwesenden gesprochen.
Es gibt eine gleichermaßen Kontakt versenkende Spielart in der Rubrik »Gerede über Abwesende«, bei der das anwesende Gegenüber nicht zur Klagemauer, sondern schlichter nur zur Schallmauer, zum Klangbrett, zum Sounding Board wird. Der Sprecher redet einfach in irrelevanten Ausschweifungen über – möglichst unbekannte – Abwesende. Besonders gekonnt ist natürlich, Fragen generell nicht zu beantworten, sondern nur leicht zu streifen.
Bernd und Erika
(Bernd wird im folgenden Gespräch mit Erika zur Schallmauer.)
BERND:
Seit wann arbeitet Herr Steighuber eigentlich im Zoo?
ERIKA:
Herr Steighuber hat seine Frau vor 18 Jahren kennengelernt und dann sind die beiden nach Moskau gereist.
BERND:
Ja, aber ...
ERIKA
(unterbricht ihn): Dort ist seine Frau schwanger geworden. Du weißt, der kleine Helge, der jetzt mit einem Freund nach Australien ausgewandert ist. In Melbourne ...
BERND:
Zoo!
ERIKA:
Nein, in Melbourne gibt es keinen Zoo. Aber Helges Freund, Thomas heißt er, hat sich mit einer neun Jahre älteren Frau zusammengetan, die erst letzte Woche einen Autounfall hatte. Das hat mir Frau Steinhuber erzählt; sie hatte gerade eine Mail bekommen. Wie die neue Frau von Helges Freund heißt, weiß ich grad nicht. Es war ein schöner englischer Name. Genau, Alice! Ich dachte noch an Alice im Wunderland . Ist übrigens ein gutes Buch. Ich hab’s nie gelesen. Kein schlimmer Autounfall. Nur Blechschaden, aber ärgerlich ist’s allemal. Weißt du noch, unser Unfall damals an der Kreuzung Richtung Dings? Bernd?
(Bernd liest in einer Zeitung, hört nicht mehr zu.)
Sag mal, hörst du mir gar nicht zu? Schließlich hast du mich was gefragt und jetzt hörst du noch nicht mal zu.
BERND:
Weil du mich mit Weitschweifigkeit erdrückst und langweilst, anstatt zu
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