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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Zimmer herum und zog die Vorhänge an den Fenstern zu. Dann schlüpfte ich aus den Kleidern und stieg in die Dusche. Ich bin keine Wasserverschwenderin, aber trotzdem ließ das warme Wasser nach, bevor meine vier Minuten um waren. Einen Sekundenbruchteil, bevor das kalte Wasser mit voller Wucht auf mich herunterprasselte, wusch ich mir den letzten Rest Shampoo aus den Haaren. Langsam kam mir das Ganze wie ein Erlebnisurlaub in der Wildnis vor.
    Wieder angezogen, schloß ich die Hütte ab und ging zur Straße zurück, die ich eilig entlangmarschierte, bis ich das Lokal erreichte. Das Rainbow Café war etwa doppelt so groß wie ein Wohnanhänger. Die Einrichtung bestand aus einer Resopaltheke mit acht Hockern an der Längsseite des Lokals und acht mit Kunstleder gepolsterten Nischen an den Wänden. Zu sehen waren eine Kellnerin, eine Schnellköchin und ein Hilfskellner. Ich bestellte mir Frühstück zum Abendessen. Es gibt nichts Tröstlicheres als Rührei am Abend; weiches, heiteres Gelb, von Butter glänzend und mit Pfeffer gesprenkelt. Ich aß drei Streifen knusprigen Speck, einen Berg Kartoffelbrei mit Röstzwiebeln und zwei Scheiben Roggentoast, in Butter getränkt und von Marmelade triefend. Ich hätte beinahe laut aufgestöhnt, als sich die Aromen in meinem Mund vermischten.
    Auf dem Rückweg zur Hütte machte ich am Münztelefon vor dem Büro halt. Die Vorrichtung bestand aus einer altmodischen Zelle aus Glas und Metall, an der die ursprüngliche Falttür fehlte. Ich rief auf Kreditkarte bei Dietz an. »Hey, Babe! Wie geht’s dem Patienten?« sagte ich, als er sich meldete.
    »Prima. Und dir?«
    »Nicht schlecht. Momentan auf Vorschuß.«
    »In Nota Lake?«
    »Wo sonst? Ich stehe in einer Telefonzelle in den Kiefernwäldern«, antwortete ich.
    »Wie läuft’s?«
    »Ich fange gerade erst an, daher ist es schwer abzuschätzen. Selma hat dir ja bestimmt schon von Tom erzählt.«
    »Nur daß sie den Eindruck hatte, ihm ginge etwas im Kopf herum. Klingt vage.«
    »Und wie! Hast du ihn je kennengelernt?«
    »Nö. Offen gestanden habe ich sie auch über fünfzehn Jahre nicht gesehen. Wie hält sie sich denn?«
    »Sie ist in guter Verfassung. Bestürzt zwar, aber wer wäre das nicht in ihrer Situation?«
    »Womit willst du anfangen?«
    »Wie üblich. Heute habe ich mich damit beschäftigt, seinen Schreibtisch zu durchsuchen. Morgen fange ich an, mit seinen Freunden und Bekannten zu sprechen, dann sehen wir ja, was dabei herauskommt. Ich gebe mir Zeit bis Donnerstag, dann weiß ich, wie der Hase läuft. Ich wäre gern am Wochenende zu Hause, falls sich dieser Auftrag nicht noch in die Länge zieht. Was macht dein Knie?«
    »Dem geht’s viel besser. Die Krankengymnastin ist zwar eine Landplage, aber ich gewöhne mich langsam daran. Deine Sandwiches fehlen mir.«
    »Lügner.«
    »Nein, das ist mein Ernst. Sobald du dort fertig bist, mußt du unbedingt wieder herkommen.«
    »Hmmm. Nein danke. Ich will in meinem eigenen Bett schlafen. Und ich habe Henry seit einem Monat nicht gesehen.« Henry Pitts war mein sechsundachtzigjähriger Vermieter. Wenn der Rentnerbund je einen Kalender mit männlichen Pin-ups über Achtzig machen würde, käme er aufs Titelblatt.
    »Tja, überleg’s dir«, sagte Dietz.
    »Klar, unbedingt. Hör mal, meine Florence-Nightingale-Phase ist vorüber. Ich habe einen Auftrag zu erledigen. Außerdem muß ich jetzt Schluß machen. Es ist verflucht kalt hier.«
    »Na gut, einverstanden. Paß auf dich auf.«
    »Gleichfalls«, sagte ich.
    Ich wählte Henrys Nummer und erwischte ihn gerade noch, bevor er zur Tür hinausging. »Wohin willst du denn?« fragte ich.
    »Zu Rosie’s. Sie und William brauchen heute Hilfe mit den Abendgästen«, antwortete er. Rosie war die Besitzerin der Kneipe, die einen halben Block von meiner Wohnung entfernt lag. Sie und Henrys älterer Bruder William hatten letztes Thanksgiving geheiratet, und jetzt wurde William im Handumdrehen zum Wirt.
    »Und was ist mit dir? Von wo aus rufst du an?«
    Ich wiederholte meine Geschichte und informierte ihn über meine momentane Lage. Ich nannte ihm sowohl Selmas Nummer als auch die Nummer von Nota Lake Cabins, falls er mich erreichen mußte. Wir plauderten noch ein Weilchen, bevor er wegmußte. Nachdem er aufgelegt hatte, rief ich noch in Lonnies Büro an und hinterließ eine Nachricht für Ida Ruth, der ich ebenfalls meinen Aufenthaltsort und Selmas Nummer nannte, falls sie mich aus irgendeinem Grund sprechen mußte. Eine andere Methode,

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