Kopf in der Schlinge
um in Verbindung zu bleiben, fiel mir nicht ein. Nachdem ich aufgelegt hatte, steckte ich die Hände in die Jackentaschen und hoffte vergebens auf Schutz vor dem Wind. Der Gedanke, den Abend in der Hütte zu verbringen, erschien mir deprimierend. Mit nur zwei Vierzigwattbirnen wäre selbst Lesen anstrengend. Ich stellte mir vor, wie ich zusammengekauert und blinzelnd unter dieser feucht aussehenden Steppdecke lag und die Spinnen aus dem Holzstoß gekrochen kamen, sobald meine Wachsamkeit nachließ. Es war eine trostlose Vorstellung, wenn man bedachte, daß ich lediglich ein Buch über die Identifizierung von Reifen- und Fußspuren dabeihatte.
Ich ging zur Motelrezeption hinüber und spähte durch die Glastür hinein. Es brannte Licht, doch Cecilia war nirgends zu sehen. Auf einem handgeschriebenen Schild stand Bitte klingeln. Ich marschierte hinein, ignorierte die Tischglocke und klopfte an die Tür mit der Aufschrift Direktion. Kurz darauf erschien Cecilia in einem pinkfarbenen Chenille-Bademantel und flauschigen pinkfarbenen Hausschuhen. »Ja?«
»Hallo, Cecilia. Kann ich Sie kurz sprechen?«
»Stimmt etwas nicht mit dem Zimmer?«
»Nein, nein. Alles in Ordnung. Mehr oder weniger. Ich wollte Sie fragen, ob Sie ein paar Minuten erübrigen könnten, um mit mir über Ihren Bruder zu sprechen.«
»Was ist mit ihm?«
»Hat Selma Ihnen erzählt, warum ich hier in Nota Lake bin?«
»Sie hat nur gesagt, daß sie Sie engagiert hat. Ich weiß nicht einmal, was Sie von Beruf sind.«
»Tja, also ich führe für die California Fidelity Insurance Ermittlungen durch. Selma macht sich Gedanken wegen der Haftung in bezug auf Toms Tod.«
»Haftung wofür?«
»Gute Frage. Leider darf ich mich nicht näher dazu äußern. Wissen Sie, offiziell war er nicht im Dienst, aber sie glaubt, er sei an dem Abend, als er starb, womöglich in einer dienstlichen Sache unterwegs gewesen. In diesem Fall kann sie Ansprüche geltend machen.« Ich erwähnte nicht, daß Tom Newquist gar nicht bei der CFI versichert war oder daß der Laden mich vor etwa anderthalb Jahren gefeuert hatte. Ich hätte ihr sogar den eingeschweißten Mitarbeiterausweis mit dem Foto gezeigt, den ich nach wie vor besaß. Vorne drauf prangte das Firmenlogo der CFI und darunter ein Foto von mir, das aussah, als würde es der Grenzschutz an der Wand hängen lassen, um es immer parat zu haben.
Sie starrte mich ausdruckslos an, und einen beklemmenden Augenblick lang fragte ich mich, ob sie kürzlich erst aus irgendeiner undurchsichtigen Kreisverwaltungsbehörde in den Ruhestand getreten war. Sie machte den Eindruck, als grübelte sie über sämtliche Regeln und Vorschriften nach, um zu ergründen, welche an dem betreffenden Abend gegolten hatten. Ich war versucht, meine Angaben weiter auszuschmücken, fürchtete dann aber, mich zu weit vorzuwagen. Beim Lügen ist es am besten, wenn man wie eine Libelle über die Oberfläche hüpft. Je mehr man zu Beginn behauptet hat, desto mehr muß man später widerrufen, falls sich herausstellt, daß man wirklich ins Fettnäpfchen getreten ist. Sie hielt die Tür auf, um mich durchzulassen. »Kommen Sie lieber rein. Ich muß Ihnen allerdings sagen, daß das ein schmerzliches Thema ist.«
»Das kann ich mir vorstellen, und es tut mir leid, wenn ich Sie belästige. Macon habe ich auch schon kennengelernt.«
»Der taugt nichts«, erklärte sie. »Wir können uns nicht leiden. Natürlich hat Selma in meinen Augen auch nie zur Familie gehört, und ich wette, sie sieht es umgekehrt genauso.«
Cecilia Bodens Wohnung war mit meiner Hütte vergleichbar, also trist, schwach beleuchtet und ein wenig schäbig. Der Hauptunterschied bestand darin, daß meine Unterkunft eiskalt war, während sie die Raumtemperatur bei sich irgendwo auf der Stufe »Vorglühen« zu halten schien. Der Fußboden war mit Linoleum bedeckt, das einem Holzparkett nachgebildet war. Sie hatte kieferngetäfelte Wände und zu dick gepolsterte Sitzmöbel mit veilchenfarbenen Häkelüberwürfen. Ein großer Fernseher beherrschte die eine Ecke, und sämtliche Möbel waren auf ihn ausgerichtet. Cecilias Lesebrille lag auf der Armlehne des Sofas, das dem Fernseher am nächsten stand. Ich sah, daß sie gerade dabei war, das Kreuzworträtsel in der Lokalzeitung zu lösen. Dies tat sie mit Kugelschreiber und ohne sichtbare Korrekturen. Ich revidierte meine Meinung von ihr nach oben. Ich würde so etwas nicht einmal schaffen, wenn man mir eine Pistole an den Kopf hielte.
Wir setzten
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