Kopf in der Schlinge
Bilderrahmen, klopfte mit den Knöcheln gegen Schrankwände, hob eine Ecke des Teppichs an und suchte nach losen Dielenbrettern.
Im Badezimmer nebenan durchsuchte ich das Medizinschränkchen, den Wäscheschrank und den Korb für die Schmutzwäsche. Nichts, das mir ins Auge gesprungen wäre. Nichts, das fehl am Platz gewesen wäre. Ratlos streckte ich mich eine Weile auf dem Fußboden im Schlafzimmer aus, atmete die Ausdünstungen des Teppichs ein und fragte mich, wann ich mich wohl mit Anstand aus dem Staub machen konnte.
Ich ging wieder ins Arbeitszimmer, wo ich den restlichen Kram in seinen Regalen durchsuchte. Abgesehen davon, daß ich mir unglaublich gut vorkam, weil ich seine Schreibtischschubladen ausräumte, gewann ich keinerlei neue Erkenntnisse über Tom Newquists Leben. Ich sah seine Kreditkartenquittungen aus den letzten zwölf Monaten durch, aber weder bei Visa noch bei MasterCard war irgend etwas Ungewöhnliches zu finden. Die meisten Bewegungen auf den Karten ließen sich leicht mit seinem Terminkalender erklären. So hingen zum Beispiel eine Reihe von Hotel- und Restaurantrechnungen vom vergangenen Februar mit einem Seminar zusammen, das er in Redding in Kalifornien besucht hatte. Der Mann war systematisch. Das mußte ich ihm zugute halten. Sämtliche berufsbedingten Gebühren auf seiner Telefonrechnung wurden später seiner Dienststelle in Rechnung gestellt und entsprechend vergütet. Er ließ sich nicht einen Penny zuviel ausbezahlen. Es gab weder Anzeichen für Verschwendung noch Hinweise auf irgendwelche überhöhten oder unerklärlichen Ausgaben.
Ich hörte einen Wagen in die Einfahrt fahren. Wenn es Selma wäre, würde ich ihr erklären, daß ich aufhörte, damit sie nicht noch mehr von Toms sauer verdientem Geld hinauswarf. Die Haustür öffnete und schloß sich wieder. Ich rief »Hallo« und wartete auf eine Antwort. »Selma, sind Sie das?« Ich wartete wieder. »Oder der Schwarze Mann?«
Diesmal bekam ich zur Antwort ein männliches »Yo!« zu hören, und Selmas Sohn Brant erschien in der Türöffnung. Er trug eine rote Strickmütze, einen roten Jogginganzug und nagelneue weiße Reeboks aus Leder. Um seinen Hals hing ein weißes Handtuch. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren war Brant der Typ Mann, nach dem sich matronenhafte Hausfrauen im Supermarkt umdrehen, um ihn im Vorbeigehen verstohlen zu mustern. Er hatte dunkles Haar und buschige Brauen über ernsten braunen Augen. Sein Teint war makellos, das Kinn kantig und die Wangen so fein geschwungen, als sei sein Gesicht aus Ton geformt. Er hatte volle Lippen und eine gute Farbe: eine kräftige Winterbräune, überzogen von einem durch Schnee und Wind hervorgerufenen rötlichen Glanz. Seine Figur war untadelig: breite Schultern, flacher Bauch und eine schmale Hüftpartie. Wäre ich jünger gewesen, hätte ich mir bei seinem Anblick einen Seufzer nicht verkneifen können. Aber mittlerweile schließe ich jeden Mann aus, der so viel jünger ist als ich — erst recht, wenn er mir beruflich begegnet. Allerdings hatte ich erst in einer harten Schule lernen müssen, Vergnügen und Arbeit nicht zu vermischen.
»Meine Mom ist noch nicht zu Hause?« fragte er und zog sich das Handtuch vom Hals. Gleichzeitig nahm er die Strickmütze ab, und so konnte ich sehen, daß sich sein vom Training verschwitztes Haar in kleinen Locken ringelte. Sein Lächeln brachte ebenmäßige weiße Zähne zum Vorschein.
»Sie müßte jeden Moment kommen. Ich bin Kinsey. Sind Sie Brant?«
»Ja, Ma’am. Tut mir leid. Ich hätte mich vorstellen sollen.« Wir schüttelten uns über den mit Plunder vollgestellten Schreibtisch seines Vaters hinweg die Hände. Seine Handfläche war seltsam grau. Als er sah, daß ich es bemerkt hatte, grinste er verlegen. »Das kommt von den Gewichtheberhandschuhen. Ich war gerade beim Training«, erklärte er. »Ich habe das Auto draußen stehen sehen und mir gedacht, daß Sie hier sein müssen. Wie läuft’s denn bis jetzt?«
»Ganz gut, würde ich sagen.«
»Dann lasse ich Sie jetzt lieber weitermachen. Wenn Mom kommt, sagen Sie ihr, daß ich unter der Dusche stehe.«
»Klar.«
»Bis gleich dann.«
Selma kam um Viertel nach zwölf nach Hause. Ich hörte, wie das Garagentor hinauf- und wieder herunterratterte. Wenige Minuten später ging sie durch die Tür, die von der Garage in die Küche führte. Kurz darauf hörte ich Geschirr klirren, die Kühlschranktür auf- und wieder zugehen und dann das Klappern von Besteck. Mit einer Art
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