Kopf in der Schlinge
Mittlerweile fuhr der Lieferwagen den Weg vor mir von rechts nach links entlang, so daß wir durch die frontal zu meinem Wagen geparkten Autos getrennt waren. Ich sah, wie sich der Fahrer vorbeugte, das maskierte Gesicht jetzt in meine Richtung gedreht. Es war diese Ausdruckslosigkeit, die mich aus der Ruhe brachte, diese formlose Kopfbedeckung, die sämtliche Gesichtszüge auslöschte, außer Augen und Mund, welche in frappierendem Kontrast hervortraten. Terroristen und Bankräuber trugen solche Mützen, nicht normale Bürger, die Angst vor Erfrierungen haben. Der Lieferwagen blieb stehen. Die schwarze Kapuzenmütze war mir jetzt zugewandt, und ein anhaltender Blick fixierte mich eindringlich. Ich konnte sehen, daß die Öffnungen für Augen und Nase durch große Stiche mit weißem Faden verengt worden waren, ohne daß man versucht hätte, diese Änderung zu verbergen. Der Fahrer streckte seine behandschuhte rechte Hand aus und zielte mit dem Zeigefinger auf mich wie mit einem Pistolenlauf. Zwei imaginäre Kugeln wurden auf mich abgefeuert, einschließlich Rückstoß. Ich zeigte ihm im Gegenzug den Vogel. Dieser kurze Austausch von Gesten war seinerseits von Aggression und meinerseits von Verachtung geprägt. Der andere Fahrer schien zu erstarren, und ich fragte mich, ob ich meine schnippische manuelle Entgegnung lieber für mich hätte behalten sollen. In Los Angeles sind schon aus nichtigerem Anlaß Schießereien auf dem Freeway ausgebrochen. Zum ersten Mal begann ich zu fürchten, daß er womöglich unten im Fußraum eine echte Waffe liegen hatte.
Ich trat mehrmals aufs Gaspedal und drehte erneut den Zündschlüssel um, wobei ich ein tiefes, drängendes Geräusch ausstieß. Wundersamerweise sprang der Motor hustend an. Ich legte den Leerlauf ein, trat fest aufs Gas und schaltete die Scheinwerfer ein, während ich den Motor hochjagte. Die Nadel des Spannungsanzeigers sprang wiederholt nach rechts. Ich sah wieder zu dem Lieferwagen hinüber, der gerade am anderen Ende aus dem Parkplatz fuhr. Dann löste ich die Handbremse und legte den Rückwärtsgang ein.
Ich fuhr aus der Parklücke heraus, schaltete in den Vorwärtsgang und bog auf die Fahrspur ein, die in die entgegengesetzte Richtung führte. Dabei spähte ich in die Finsternis, um zu beobachten, wohin der Lieferwagen verschwunden war. Ich konnte mein Herz klopfen hören, als hätte die Angst das arme Organ hinauf zwischen meine Ohren gejagt. Ich kam an der markierten Ausfahrt an und fuhr langsam weiter, während ich die umliegenden Straßen danach absuchte, ob der Lieferwagen um den Block fuhr. So weit ich sehen konnte, war die Straße leer. Ich klopfte mir selbst auf die Brust, eine Geste, die mich trösten und beruhigen sollte. Eigentlich war ja nichts passiert. Vielleicht hatte sich der Fahrer getäuscht, mich für eine Bekannte gehalten und dann erst seinen Irrtum bemerkt. Jemand in einem vorbeifahrenden Lieferwagen hatte sich zur Seite gedreht, mich angesehen und mit einem ausgestreckten Zeigefinger und einer Daumenbewegung symbolisch auf mich geschossen. Ich nahm nicht an, daß der Vorfall weltweit Schlagzeilen machen würde.
Erst als ich schon halb durch die Stadt gefahren war, sah ich, wie der Lieferwagen einen halben Häuserblock weiter hinten auf die Straße einbog. Mir fiel auf, daß einer seiner Scheinwerfer leicht schief stand und der Lichtstrahl nach unten ging, wie bei jemandem, der auf einem Auge schielt. Ich blickte in sämtliche Richtungen, sah aber weder andere Fahrzeuge noch Fußgänger. Zu dieser späten Stunde war Nota Lake verlassen und die Geschäfte über Nacht geschlossen. Nur vereinzelt brannte eine kalte Innenbeleuchtung. Sogar die Tankstelle war geschlossen und in Finsternis gehüllt. Die Straßenlampen verströmten ein eisiges Licht über die leeren Gehwege. Ampeln wechselten lautlos von Grün auf Rot und wieder auf Grün.
War das nun das Problem oder nicht? Ich überlegte, was ich tun konnte. Die Benzinuhr zeigte an, daß der Tank halb voll war. Ich hatte mehr als genug Sprit, um zum Motel zurückzufahren, doch mir behagte der Gedanke nicht, daß jemand hinter mir her war, und ich wollte meinem Verfolger im Notfall nicht davonlaufen müssen. Der Highway 395, der zu Nota Lake Cabins hinaufführte, war ein langer und ununterbrochener dunkler Streckenabschnitt. Die wenigen Geschäfte an der Landstraße hatten mit Sicherheit schon geschlossen, was bedeutete, daß meine Verwundbarkeit um so mehr zunähme, je einsamer die Umgebung
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