Kopf in der Schlinge
»Womöglich hat er einen neuen Anhaltspunkt gefunden. Manchmal haben wir es mit Fällen zu tun, bei denen die Informationen streng vertraulich sind... wie etwa bei Informationen aus einem anderen Bundesstaat oder etwas, das mit der polizeiinternen Untersuchungskommission zu tun hat.«
»An so etwas hatte ich auch gedacht. Ich meine, was wäre, wenn Tom von etwas erfahren hatte, mit dem er nicht umzugehen wußte?«
»Er hätte es mir erzählt. Wir haben über alles geredet.«
»Und wenn es Sie betroffen hätte?«
Er zuckte kurz zusammen, was auf seine Unruhe schließen ließ. »Lassen Sie uns aufhören, ja? Ich will damit nicht sagen, daß wir nicht weiter darüber reden können, aber lassen Sie mich ein bißchen nachdenken.«
»Eines noch. Und werden Sie bitte nicht wütend auf mich. Sagen Sie mir nur, was Sie denken. Könnte die Möglichkeit bestehen, daß Tom eine Affäre mit einer anderen Frau hatte?«
»Nein.«
Ich lachte. »Versuchen Sie, Ihre Antwort auf höchstens fünfundzwanzig Worte zu beschränken«, sagte ich. »Warum nicht?«
»Er war ein zutiefst moralischer Mensch.«
»Tja, könnte das nicht sein Grübeln erklären? Ein Mann ohne Gewissen würde nicht mit sich hadern.«
»Einwand, Euer Ehren. Reine Spekulation.«
»Aber Rafer, irgend etwas hat ihn belastet. Selma ist nicht die einzige, die das bemerkt hat. Ich weiß nicht, ob es persönlich oder beruflich war, aber soweit ich gehört habe, war er ernsthaft verstört.«
Wir bogen in den Parkplatz zwischen dem Rainbow Café und Nota Lake Cabins ein. Rafer schaltete auf Parken und öffnete seine Tür. »Kommen Sie. Ich lade Sie zum Frühstück ein. Meine Tochter arbeitet hier.«
Ich kämpfte mit dem Türgriff und gab schließlich auf. Ich blieb sitzen, während er ums Auto herumging und mir die Tür öffnete. Er hielt mir sogar die Hand hin, als ich ausstieg. »Danke. Ich merke jetzt schon, daß das nervig wird.«
»Das tut Ihnen ganz gut«, meinte er. »Es zwingt Sie, sich mit Ihren Abhängigkeitsproblemen auseinanderzusetzen.«
»Ich habe keine Abhängigkeitsprobleme«, entgegnete ich bestimmt.
Rafer lächelte nur.
Er hielt mir die Tür zum Café auf, und ich ging vor ihm hinein. Das Lokal war gut besucht, allerdings ausschließlich von Männern, zweifellos allesamt Frühaufsteher — Rancher, Polizisten und Arbeiter auf dem Weg in die Fabrik. Drinnen war es wie gewohnt überheizt, und es roch nach Kaffee, Speck, Würstchen, Ahornsirup und Zigaretten. Nancy, die braunhaarige Kellnerin, nahm an einem Tisch voller Männer in Arbeitskleidung die Bestellung auf, während sich Barrett hinter der Theke auf eine Bratfläche voller garender Pfannkuchen und Omelettes konzentrierte. Rafer ging voraus und fand eine freie Nische für uns. Als wir an den anderen Tischen vorbeikamen, bemerkte ich, daß wir zahlreiche Blicke auf uns zogen. Vermutlich hatten die Buschtrommeln bereits die Nachricht von meinem Überfall verbreitet.
»Was hat Sie eigentlich nach Nota Lake verschlagen?« fragte ich, als wir uns setzten.
»Ich habe in der Telefonzentrale der Polizei von Los Angeles angefangen und abends für mein Studium gearbeitet. Nach dem Abschluß habe ich mich an der Polizeischule beworben. Ich wurde in San Bernardino angenommen und schließlich dem Dezernat für Raubüberfälle zugeteilt, aber als Barrett zur Welt kam, begann Vick mich zu bearbeiten, daß wir von L. A. wegziehen sollten. Sie war als Notfallschwester im Queen of Angels angestellt und hat das Hin- und Herfahren gehaßt. Selbst mit zwei Gehältern konnten wir uns kein Haus in einer der Gegenden leisten, die uns gefallen hätten. Dann habe ich gehört, daß hier oben eine Stelle im Sheriffbüro frei war. Vick und ich sind an einem Wochenende hergefahren und haben uns in den Ort verliebt. Das war vor dreiundzwanzig Jahren. Tom war schon da. Er ist in Bakersfield aufgewachsen.«
Zwei Tische weiter entdeckte ich Macon, den Blick auf mich fixiert. Er beugte sich vor und machte irgendeine Bemerkung. Der Mann bei ihm am Tisch wandte sich ganz beiläufig um, indem er so tat, als sähe er sich nur im Raum um, während er in Wirklichkeit mich beäugte. Ich nahm eine Speisekarte zur Hand und tat so, als bemerkte ich nicht, wie er so tat, als bemerkte er mich nicht. Es war Margarets Ehemann Hatch.
»Wissen Sie schon, was Sie möchten?« fragte Rafer. »Ich gönne mir das volle Programm. Andauernd fasse ich gute Vorsätze, aber ich halte sie einfach nicht durch.«
»Ich bin dabei«, sagte ich.
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