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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Leuchttafel klemmte. Vicky trat zu uns. Wir standen alle drei da und studierten die Ergebnisse. Ich fühlte mich wie eine Kollegin, die zur Konsultation über einen schwierigen Fall gebeten worden ist. Meine Rippen waren gequetscht, aber nicht gebrochen, und würden vermutlich noch ein paar Tage schmerzen, erforderten aber keine ärztliche Behandlung. Röntgenologisch gesprochen waren die zwei geschundenen Finger völlig verdreht. Ich sah, daß keine Knochen gebrochen waren, allerdings wies mich Dr. Price auf zwei kleine Splitter hin, von denen er aber meinte, daß mein Körper sie schnell wieder eingliedern werde.
    Ich ging zum Tisch zurück, wo ich mich erleichtert wieder hinlegte. Mein Po schmerzte noch von der Tetanusspritze, daher spürte ich es kaum, als der Arzt mich unter fröhlichem Pfeifen mehrmals in die Gelenke beider Finger stach. Inzwischen war es mir egal geworden. Was auch immer sie anstellten, ich war viel zu weggetreten, um es noch mitzukriegen. Während ich an die Wand starrte, manövrierte der Arzt meine Finger in ihre gewohnte aufrechte Position zurück. Danach verließ er kurz den Raum. Als ich es schließlich wagte, den Blick auf meine Hand zu richten, sah ich, daß die verletzten Finger nun dick und rot waren. Sie ließen sich nun zwar wieder beugen, doch die Knöchel waren geschwollen wie bei einem plötzlichen Anfall von rheumatoider Arthritis. Ich legte meinen Mund an das heiße, taube Fleisch wie eine Mutter, die das Fieber ihres Babys mit den Lippen mißt.
    Dr. Price kam wieder und brachte (1) eine Rolle Pflaster, (2) ein Päckchen Verbandsstoff und (3) eine Metallschiene mit, die aussah wie ein verbogener Eisstiel und für den meiner Krankenversicherung letztlich irgend etwas um die fünfhundert Dollar in Rechnung gestellt werden würden. Er klebte die beiden Finger aneinander und befestigte sie dann mit einem weiteren Streifen Pflaster am Ringfinger, das Ganze von der Schiene gestützt. Ich spürte geradezu, wie meine Versicherungsbeiträge stiegen. Eine Krankenversicherung gilt nur dann, wenn die Leistungen nie genutzt werden. Andernfalls wird man mit einem Kündigungsschreiben oder einem kräftigen Anstieg der Prämien belohnt.
    Ich hörte Stimmen auf dem Flur, und vor der Tür zum Untersuchungsraum erschien ein Hilfssheriff. Er plauderte mit Dr. Price, dann verschwand der Arzt und ließ mich mit ihm allein. Diesen Mann hatte ich noch nie gesehen: ein großer, dürrer Junge mit einem langen Gesicht, dunklem Haar, dunklen, zerzausten Augenbrauen, die sich in der Mitte trafen, und einer glänzenden, metallenen Zahnspange. Ich war gleich voller Zutrauen.
    »Ms. Millhone, ich bin Hilfssheriff Carey Badger. Ich habe gehört, daß Sie ein Problem hatten.’ Können Sie mir erzählen, was geschehen ist?«
    »Klar«, sagte ich und gab meine traurige Leidensgeschichte erneut zum besten.
    Er schrieb meine Angaben mit der linken Hand in ein kleines, spiralgebundenes Notizbuch, ohne auch nur einmal den Blick von mir abzuwenden. Sein Bleistift war von dem Format, wie man es für eine Bridgetabelle verwenden würde, kurz und dünn, aber mit stumpfer Spitze. Er hätte auch ein Kellner sein können, der sich kurz etwas notiert... Thunfisch auf Weizentoast, aber ohne Mayo. »Irgendeinen Verdacht, wer dieser Kerl war?« fragte er.
    »Keine Ahnung.«
    »Wie steht’s mit Größe und Gewicht? Können Sie mir ungefähre Angaben machen?«
    »Ich würde sagen, an die einsachtzig, und er muß etwa dreißig Kilo mehr gewogen haben als ich. Ich wiege knapp vierundfünfzig, also war er mindestens achtzig oder fünfundachtzig Kilo schwer.«
    »Irgend etwas anderes? Narben, Muttermale, Tätowierungen?«
    »Es war stockfinster. Er trug eine Kapuzenmütze und schwere Kleidung, daher konnte ich kaum etwas sehen. Am Abend zuvor ist mir derselbe Kerl von Tiny’s Parkplatz aus gefolgt. Ich könnte es zwar nicht auf einem Stapel Bibeln beschwören, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß zwei verschiedene Männer so auf mich losgehen würden. Beim ersten Mal fuhr er einen schwarzen Lieferwagen ohne sichtbare Nummernschilder. Ich habe es heute morgen bei der Polizei von Nota Lake zu Protokoll gegeben.«
    »Können Sie mir sonst noch etwas über ihn sagen?«
    »Er roch penetrant nach Schweiß.«
    Der Hilfssheriff blätterte eine Seite um, schrieb weiter und betrachtete dann stirnrunzelnd seine Notizen. »Was hat er bei der ersten Begegnung getan? Hat er Sie bei dieser Gelegenheit angesprochen?«
    »Er hat mich

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