Kopf in der Schlinge
jeglicher Form von Ordnung schließen.
»Ich bin gerade am Abspülen«, erklärte er, während er in der Küche verschwand. »Schnappen Sie sich ein Geschirrtuch und helfen Sie mit. Sie können sich ruhig nützlich machen, solange Sie mich ausfragen. Übrigens, ich heiße Homer und bin Dolores’ Mann. Mr. Ruggles für Sie.«
Sein Ton hatte sich von unverblümter Grobheit zu etwas Schroffem, aber nicht Unangenehmem gewandelt. Ich konnte sehen, daß er zu seiner Zeit ziemlich gutaussehend gewesen sein mußte; nicht umwerfend attraktiv, sondern mehr als das — ein Mann mit einem gewissen Maß an Charakter und einer anziehenden Ausstrahlung. Seine Haut war tief gebräunt und von zahlreichen Sonnenflecken übersät, als hätte er sich sein ganzes Leben auf den Feldern abgerackert. Er trug ein erdbraunes Hemd mit einer in Gold und Schwarz üppig bestickten Passe, dazu Cowboystiefel, die vermutlich seine Körpergröße um ein paar Zentimeter erhöhen sollten.
Als ich in der Küche ankam, hatte er das Wasser aufgedreht und sich wieder an die Arbeit gemacht. Er spülte Teller und Gläser. »Geschirrtücher sind da drin«, sagte er und nickte zu der Schublade direkt links von ihm. Ich nahm ein frisches Geschirrtuch heraus und griff mir einen Teller, der vom Spülwasser noch heiß war. »Sie können das Geschirr auf dem Küchentisch stapeln. Ich räum’s dann auf, wenn wir fertig sind.«
Ich warf einen Blick auf den Tisch. »Ähm, Mr. Ruggles, der Tisch muß abgewischt werden. Haben Sie einen Schwamm?«
Homer wandte sich um und sah mich an. »Das ist ein auffälliger Charakterzug von Ihnen, stimmt’s?«
»Aber sicher«, sagte ich.
»Lassen Sie das mit dem Mr. Ruggles. Es klingt absurd.«
»Ja, Sir.«
Das brachte mir ein angedeutetes Lächeln ein. Er drückte den Lappen aus und warf ihn mir mit einem Kopfschütteln zu. Ich wischte die Tischplatte und stellte dabei mehrere Gegenstände beiseite: Zeitung, Salz- und Pfefferstreuer, die wie Rotkäppchen und der böse Wolf geformt waren, und eine Reihe Pillenfläschchen, auf denen Dolores’ Name sowie verschiedene Warnhinweise standen. Was auch immer sie da einnahm, sie sollte keinen Alkohol trinken, sich nicht intensiver Sonnenbestrahlung aussetzen und keine schweren Maschinen bedienen. Ich fragte mich, ob damit Autos, Traktoren oder Amtrak-Lokomotiven gemeint waren. Als ich fertig war, gab ich ihm den Lappen zurück, nahm das Geschirrtuch und rieb den Tisch trocken.
»Also, worum geht’s?« fragte er nachträglich. »Warum interessieren Sie sich für Pinkie Ritter? Ein anständiges Mädchen wie Sie sollte sich schämen.«
»Bis gestern hatte ich noch nie von ihm gehört. Ich war auf der Suche nach einem Freund von ihm, der eventuell... Könnten wir diesen Teil beiseite lassen? Es ist fast zu kompliziert, um es zu erklären.«
»Sie meinen Alfie Toth.«
»Danke. Genau den. Anscheinend weiß jeder über ihn Bescheid.«
»Nun ja, Alfie war ein Spatzenhirn. Frauen fanden ihn attraktiv, aber ich konnte das nicht begreifen. Wie kann man einen Mann anziehend finden, wenn man weiß, daß er dumm ist? In meinen Augen verdirbt das die ganze Wirkung. Ich glaube, er hat sich mit meinem Schwiegervater herumgetrieben, weil er sich von ihm Schutz versprochen hat, was ein weiterer Beweis dafür ist, wie bescheuert er war.«
»Sie wußten, daß Alfie tot ist.«
»Allerdings. Die Polizei hat es uns mitgeteilt, als seine Leiche gefunden wurde. Sie sind vorbeigekommen und haben uns die gleichen Fragen gestellt, auf die Sie vermutlich eine Antwort haben wollen, nämlich welche Verbindung zwischen den beiden bestand und wer wem was getan hat. Und ich gebe Ihnen die gleiche Antwort wie den Bullen: Ich weiß es nicht.«
»Was können Sie mir über Pinkie erzählen? Sie haben offenbar keine hohe Meinung von ihm.«
»Das ist eine krasse Untertreibung. Ich habe den Kerl aus tiefster Seele gehaßt. Wer auch immer Pinkie umgebracht hat, hat mir ein Leben im Knast erspart. Pinkie hatte sechs Kinder — drei Söhne und drei Töchter und er hat jedes einzelne von ihnen von Geburt an mißhandelt, bis sie groß genug wurden, um sich zu wehren. Heutzutage hört man überall dieses Gerede über Kindesmißhandlung, aber Pinkie hat es knallhart auf die Spitze getrieben. Er hat sie geschlagen, versengt und gezwungen, Essig und scharfe Soßen zu trinken, wenn sie ihm widersprochen haben. Er hat sie in Schränke gesperrt und in der Kälte ausgesetzt. Er hat sie gebumst, ausgehungert und bedroht. Er
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