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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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Wiederbeschaffungswert gehandelt. Was würde passieren, wenn sich die Cashflows erholen und die Cashflow-Multiplikatoren ebenfalls steigen würden? Dieser Sektor würde in wenigen Jahren leicht um 500 bis 1.000 Prozent anziehen.
    Diesen Punkt hatte ich Peter Lynch und einigen wenigen anderen Fondsmanagern von Fidelity nahegebracht, und plötzlich besaß das Unternehmen, das in dieser Industrie zuvor praktisch überhaupt nicht vertreten war, viele Hundert Millionen Schiffsaktien. Als die Renditen kräftig anzogen, hielten wir einen beträchtlichen Anteil an diesem Sektor. Die Unternehmen erzielten innerhalb von drei Jahren einen Wertzuwachs von 620 Prozent, was mich sehr gut dastehen ließ. Peter war noch cleverer. Er stieg 1987 und 1988 ein, als sich die Aktien in dieser Industrie, die damals unter Investoren höchst unbeliebt war, am Tiefpunkt bewegten. 1989 begann er, seine Positionen abzustoßen, und war 1990 ganz draußen, als sich die üblichen Lemminge rudelweise auf die Aktien der inzwischen überbewerteten Reedereien stürzten. Peter nutzte die Markteuphorie aus und stieg ganz aus dem Sektor aus, wobei er viele Hundert Millionen Dollar Gewinn für seine Anleger erzielte.
    Schließlich besaßen Kevin und ich hochmoderne, erstklassige Datenbanken, die uns einen ebenso erstklassigen Wettbewerbsvorsprung verschafften. Heute nennen professionelle Investoren diese Disziplin »wertbasiertes Range-Trading«. Als wir dieses Konzept entwickelten, hatte noch nie jemand davon gehört, geschweige denn einen Namen dafür gefunden. Wir hatten das Goldene Vlies gefunden. Das sprach sich herum, und die von uns entwickelten Bewertungscharakteristiken wurden schließlich von USB Warburg übernommen, das diese für seine gesamten paneuropäischen Research-Aktivitäten übernahm. M6G, das beste britische Fondshaus, bot uns eine Million Pfund Sterling für das Programm. Das war 1995 eine ganz ordentliche Summe. Kevin und ich sahen uns an, sagten »Neee« und lehnten das Angebot höflich ab. Es war so viel mehr wert, wenn man wusste, wie man es richtig einsetzt, und es würde uns beide in den kommenden fünf Jahren zu x-fachen Multimillionären machen. Dennoch war das Interesse schmeichelhaft.
    Kulturell war Julius Bär eindeutig nicht auf eine derart innovative, anspruchsvolle analytische Methodologie eingestellt, weil unser Ansatz bis zu einem gewissen Grad auf einer grundlegenden Pietätlosigkeit basierte, die laterales Denken erforderte und dessen Mantra lautete: »Nichts als gegeben hinnehmen, alles anzweifeln.« Ich war absolut die falsche Person für eine ultrakonservative Schweizer Bank im Familienbesitz. Das war so, als hätte die Barings Bank den exzentrischen und zu Exzessen neigenden Journalisten Hunter S. Thompson angeheuert, um ihre Marktberichte zu schreiben. Ich hielt es kaum zwei Jahre aus. Was mich wirklich nervte, war, dass die Leute bei Bär nicht einmal die Grundlagen der Aktieninvestition beherrschten. Ich war von einem eifrigen Schüler zum Lehrer geworden, das heißt, mein Nutzen im Hinblick auf Erfahrungszuwachs und Wissensgewinn war gleich null. Meine Lernkurve war flacher als die Salzebenen von Utah. Warum sollte ich da bleiben wollen? Ich hatte das Gefühl, ein großer Teil von mir sei dabei, abzusterben, anstatt aufzublühen.
    Und noch etwas anderes, das mir sehr naheging, neigte sich dem Ende zu – diese Jahre waren Neckos letzte Lebensjahre, in deren Verlauf er sich in einen sympathischen Alten verwandelte und überraschend menschlich und fröhlich wurde. Sein Geschäft war Jahre zuvor verkauft worden und die Deutsche Sporthilfe führte inzwischen jemand anderes. Zum Entsetzen der Speichellecker, die ihn umgaben, wurde die Beziehung zwischen meiner Mutter Uschi und ihm sehr eng und er unterstützte sie während des Scheidungsprozesses gegen meinen Vater. Tatsächlich war er während der Scheidung ihr wichtigster Verbündeter. Er entwickelte einen Sinn für Selbstironie und lernte, aus ganzem Herzen zu lachen. Wer sagt, dass alte Hunde keine neuen Tricks mehr lernen? Ich nehme an, es gab nichts mehr zu erreichen, sodass er sich schließlich erlaubte, sich die Zeit zum Nachdenken zu nehmen. Meine eigenen Gedanken und Überlegungen, die ich später nach meinem Ausstieg aus der Finanzwelt anstellte, machten mich ebenfalls zu einem großzügigeren, humorvolleren Menschen.
    Necko lehrte mich, dass Ausreden etwas für Verlierer sind und dass ich die Verantwortung für mein eigenes Schicksal übernehmen

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