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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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müsse. Wir sind, was wir tun, und können alles sein, was wir wollen. Das Leben ist viel zu kurz, um uns in Selbstmitleid darüber zu ergehen, was andere uns angetan haben. »Werde erwachsen, mach etwas anderes, lass dir einen Bart wachsen, aber hör um Gottes willen auf zu jammern«, war einer meiner Lieblingssätze.
    Ich erinnere mich daran, dass Susan und ich ihn an einem wunderschönen Samstagnachmittag zu einem Spaziergang im Park in der Nähe seines Hauses einluden. Dabei liefen wir an einem jungen Paar vorbei, das seinen Hund spazieren führte. Die beiden grüßten uns mit einem Nicken, wie es in einer so kleinen Gemeinde üblich ist. Zu meiner Überraschung ging Necko auf die beiden zu, schüttelte ihnen die Hände und verwickelte sie in ein Gespräch. Das ging zu weit. Das Paar war verblüfft. Sie hatten keine Ahnung, wer dieser merkwürdige alte Mann war. Necko dachte, sie hätten ihn erkannt. Ich dachte damals: »Lieber Gott, bitte erschieß mich, falls ich je berühmt werde und anfange zu glauben, jeder kenne und erkenne mich.« Aber es war ein sonniger Tag und jeder hatte das Recht, einen Narren aus sich zu machen, vor allem ein so charmanter alter Pfau wie Necko, der in seinem Leben so viel erreicht hatte.
    Er wollte nicht, dass ich ihn auf seinem Totenbett sehe. Er wollte als Eroberer und nicht als besiegter alter Mann in den letzten Atemzügen erinnert werden. Im Januar 1992 starb er an Lungenkrebs. An seiner Beerdigung nahmen 20.000 Trauergäste teil, unter den zahllosen Prominenten befand sich auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Es war ein verregneter, scheuß­licher Tag. Das Requiem »Ave Maria« war überwältigend und ich weinte wie ein junger Hund, der sein Herrchen verloren hat.
    Der alte Geizkragen hatte mir jedoch nichts hinterlassen. Zu seiner Verteidigung muss gesagt werden, dass sein ältester Sohn Peter das Erbe verteilte. Aber diese Verantwortung seinem habgierigen Sohn zu überlassen war schwach. Auch Maria, seine liebevolle Haushälterin, die ihn mehr als 20 Jahre lang betreut hat, ging leer aus. Sie begleitete mich in Neckos Kellerräume, wo die unverkäuflichen Dinge gelagert wurden, die niemand haben wollte. Wie ein gemeiner Dieb nahm ich zwei Pflanzentöpfe und ein graviertes silbernes Zigarettenetui mit, das von einem Reitturnier stammte, um wenigstens ein Erinnerungsstück zu haben.
    An diesem Tag beschloss ich, meine Karriere zu beschleunigen. Ich war sicher, dass ich nie etwas erben würde. Mein Vermögen würde größer sein als Neckos, schwor ich mir. Es bot keinerlei Vorteile, irgendjemandem diesen Plan mitzuteilen, nicht einmal meinen engsten Freunden und Verwandten. Nur Susan hatte eine vage Vorstellung davon, wohin die Reise gehen würde: geradewegs in die Liga der reichsten Deutschen. Außerdem ging das niemanden etwas an. Männer erkennt man an Taten, nicht an Worten. Das Spiel hatte begonnen und niemand würde mich aufhalten können. Ich würde zu einem grenzenlosen Erfolg werden, selbst wenn das unterwegs zu Kollateralschäden führen würde. Das Streben nach Liebe und Glück war ein flüchtiges, abstraktes Konzept. In meiner Welt hatte ich es nirgendwo entdeckt. Ich hatte keine Ahnung, wie es aussah oder sich anfühlte, warum sollte ich also danach streben? Damit blieben als Ziele Geld und Macht übrig. Die rasante Fahrt in Richtung Klippen hatte begonnen. Ich war mir sicher, dass ich fliegen würde, wenn ich dort ankam.
    Finanziell entwickelten sich die Dinge in die richtige Richtung. Meine Offshore-Bankkonten waren auf mehrere Millionen Dollar angewachsen – nicht schlecht für einen Angestellten Mitte 30. Daneben besaß ich ein Haus in einer erstklassigen Gegend vor den Toren Frankfurts, ein Stadthaus in Cambridge, eine Wohnung in New York City, mehrere Mietwohnungen und ein Strandhaus im französischen Médoc. Susan hatte keine Ahnung, dass wir bereits ziemlich reich waren. Sie dachte, wir würden gerade genug verdienen, um die Monatsrechnungen zu bezahlen. Sie fuhr einen alten Fiat Panda. Wenn es schneite, drangen die Schneeflocken durch die Luftfilter und wenn man genau hinsah, konnte man die Straße unter den Füßen sehen. Überraschenderweise war ich zum ersten Mal in meinem Leben monogam, was zum größten Teil an Susans emotionaler Leuchtkraft lag. Unterdessen sorgte Kevin dafür, dass ich im Job nicht vom rechten Weg abkam.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie lächerlich meine Initiativen zur Wohlstandsmaximierung

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