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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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waren. Ich betete rund um die Uhr Mammon an. Wenn ich gerade kein Geld scheffelte, sparte ich es. Ich jammerte über die hohen Telefonrechnungen als Folge von Susans ständigen Telefonaten mit ihrer Mutter in den USA und sagte ihr, wie müssten uns möglicherweise von unserem Hausmädchen trennen (die nur einmal die Woche kam), wenn wir unsere Ausgaben nicht in den Griff bekämen. Ja, ich war kleinkariert, aber wir hatten den Laden fest im Griff. Ich brauchte das Kapital, um zu wachsen. Ich konnte nicht zulassen, dass Susan es für Telefontherapie mit ihrer Mutter verschwendete, weil ich kaum vor zehn Uhr abends zu Hause auftauchte und üblicherweise auch am Wochenende arbeitete. Außerdem wäre es für einen angehenden Magnaten sowohl unverzeihlich als auch unprofessionell gewesen, das Betriebskapital anzutasten, anstatt von den Zinsen und Dividenden zu leben. Mein Plan lautete, drei bis fünf weitere Jahre als Angestellter zu arbeiten und dann meine Erfolgsbilanz und meine Reputation als kompetenter, erfahrener Geldmacher zu benutzen, um meine eigene Vermögensmanagementgesellschaft zu gründen – mit einigen attraktiven Kunden im Schlepptau. Es kam aber ein wenig anders.
    Ich blieb in Frankfurt und erhielt eine Beteiligung an der europäischen Niederlassung meines nächsten Arbeitgebers, Jonathan & White, wo ich Minderheitspartner war. Jonathan & White hatte seine Hauptniederlassung in New York, unterhielt aber große europäische Zweigstellen. Die Jungs aßen, tranken und atmeten Wertpapieranalyse und Value Investing (wertbasierte Anlagestrategie), auf deren Prinzipien alle Fonds basierten, die sie verwalteten. Sie waren die Großmeister des Discountshoppings, die direkten Nachkommen des Vaters des Value Investings, Professor Benjamin Graham. Der sogenannte Dekan der Wall Street hatte Ende der Zwanzigerjahre damit begonnen, diese Strategie an der Columbia Business School zu lehren. Warren Buffett, einer von Grahams Schülern, wendete dasselbe Paradigma in großem Stil an und wurde damit der reichste Mensch der Welt. Wieder lernte ich dazu. Was ich allerdings über Value Investing lernte, war, dass diese Strategie zwar bis zu einem gewissen Grad meinem Verstand zusagte, aber ganz gewiss nicht zu meinem Temperament passte.
    Richtig angewendet erzeugt keine andere Anlagetechnik langfristig überlegenere, risikoangepasstere Anlagerenditen. Zwar wenden nur weniger als zehn Prozent der Investmentmanager diese Technik diszipliniert, konsequent und konsistent an, aber diejenigen, die das tun, werden nicht nur überdurchschnittliche Kapitalzuwächse einfahren, sondern auch über reichlich Freizeit verfügen.
    Und genau das ist der Punkt, an dem ich ein ganz persönliches Problem mit Value Investing hatte. Ich bin ein hyperaktiver Irrer und bestenfalls beschränkt normal. Als Konsequenz langweile ich mich schnell. Ich brauche ständige Adrenalinschübe, um bei Laune zu bleiben. Value Manager sind üblicherweise ausgeglichene Menschen, die ganz schlechte Witze machen, wie die Partner von Jonathan & White. Sie haben das Temperament von Scheintoten und sind weder gierig noch ängstlich. Möglicherweise fehlt es ihnen an emotionaler Tiefe; sie interessieren sich nur für den inneren Wert, die Free-Cashflow-Rendite und niedrige Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnisse und die Verwegeneren unter ihnen für relative Anleihe- und Dividendenrenditen, Sum-of-the-parts-Bewertung und so weiter. Value Investing hat viel gemeinsam mit antizyklischem Bottom Fishing von Gewerbeimmobilien – eine völlig anspruchslose Disziplin. Das ist weder Quantenphysik noch Fuzzy Logic. Wenn man es lange genug macht, kann es ziemlich stumpfsinnig werden, allerdings wird man dabei ständig reicher.
    Ich bin auf den Kapitalmärkten, im Eigenhandel, im Fondsmanagement und in der Wertpapieranalyse immer eine Art Sonderling gewesen. Ich bin weder Armenier noch Libanese, Inder, Chinese oder aus Londons East End. Ich bin nicht 1,68 m groß, komme nicht aus Brooklyn und habe keine dunklen Locken und eng zusammenstehenden Augen.
    Glücklicherweise gibt es viele Wege, um Geld zu verdienen, die besser zu meinem aggressiven, hellwachen und ungeduldigen Temperament passen. Ich brauchte schneller höhere Renditen. Ich konnte nicht vier Jahre darauf warten, mit einer Position Geld zu machen. Ich brauchte zahlenmäßig Befriedigung – je schneller, desto besser. Ich musste den Rausch im Kopf und das Knistern in meiner Brieftasche spüren, um mich lebendig zu fühlen.

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