Kopfjagd
ihr Leben gebracht hatte, einschließlich meines eigenen Bruders. Als ich fertig war, wußte sie auch alles, was es über unseren Handel mit Bonilla zu wissen gab, und kein Jota weniger über van Horne und Janos, als ich selbst wußte.
Das alles erzählte ich ihr, weil ich diese seltsame Vorahnung hatte, daß van Hornes Plan eben doch nicht aufgehen würde. Ich wußte es, wenn ich auch keinen plausiblen Grund dafür angeben und es nicht beweisen konnte. Aber die Ahnung war da.
Ich lag still mit meinem Kopf in ihrem Schoß, endlich in Frieden. Alles, was zu sagen war, war gesagt. Ich blickte in den endlos blauen Himmel. Ihre Finger strichen mir sanft über die Stirn und schläferten mich ein. Ich war sicher, daß dies ihre Absicht war, und sie hätte mich dann auch schlafen lassen, aber ich schreckte beim ersten Schlag der Kirchenglocke hoch. Van Horne hatte gesagt, er würde sie eine halbe Stunde vor Beginn seiner Messe läuten.
Victoria versuchte nicht, mich aufzuhalten, und ich küßte sie auch nicht zum Abschied. Die Situation war zu ernst dafür. Ich sah sie lediglich länge und wie zum letzten Mal an. Dann drehte ich mich um und ging unter den Bäumen davon, dem entgegen, was auch immer in der Hitze dieses Nachmittags auf mich warten mochte.
Janos befand sich auf der Veranda vor dem Hotel und kam mir aufgekratzt entgegen. Er schlug einen Spaziergang vor, aber diese Bemerkung war sichtlich für Moreno bestimmt, der auf einem Rohrstuhl saß und überaus besorgt dreinsah.
»Er scheint sich nicht sehr wohl zu fühlen«, bemerkte ich.
Janos lächelte. »Soviel ich gehört habe, liegt seine Frau in den Wehen. Obwohl ich nicht weiß, was ihm im Augenblick mehr Sorgen macht, sie oder van Horne.« Er blies mit einem zufriedenen Seufzer den Rauch seiner Zigarre in die Luft. »Wirklich, ein ganz herrlicher Nachmittag. Es ist eine Freude, zu leben.«
Ich hatte es nie geschafft, bei ihm zu erkennen, was nur Geschwätz war und was nicht, aber trotzdem, alles in allem, neigte ich doch der Ansicht zu, daß seine Nonchalance nicht einstudiert, sondern echt war. Die einfache Wahrheit ist, daß er wohl einer von diesen seltsamen Leuten war, die vollständig und stets im Hier und Jetzt leben und denen die Zukunft und ihre Aussichten wenig Angst machen, einfach deshalb, weil sie für sie nicht existiert.
Wir schlenderten gemächlich an der Ostmauer durch den Ort, wobei wir schließlich hinter der Kirche anlangten, wo uns van Horne zur Hintertür einließ, die direkt in die Sakristei führte.
Er trug ein weißes Leinenchorhemd über seiner Soutane und legte jetzt auch noch eine grüne Stola an, die er unter seinem Gürtel kreuzte, zum Zeichen von Christi Leiden und Tod, wenn ich mich korrekt erinnerte. Dann kam noch das grüne Meßgewand darüber, und er war fertig.
»Ich muß schon sagen, echt sehen Sie aus«, sagte Janos.
»Das muß ich, verdammt, ja wohl auch«, erwiderte van Horne grimmig. »Wir haben noch etwa eine Viertelstunde Zeit. Je eher ihr beiden also oben auf dem Turm seid, desto besser.«
Er führte uns in die Kirche und öffnete eine kleine Holztür hinter der Kanzel, die ich jetzt überhaupt zum ersten Mal wahrnahm. Dahinter war eine steinerne Wendeltreppe.
»Alles, was ihr braucht, ist schon oben«, erklärte er. »Aber denkt daran, erst schießen, wenn ich schieße. Keine Eigenmächtigkeiten, wie günstig es von dort oben auch immer aussehen mag! Wir wollen die Sache schließlich mit einem einzigen Schlag erledigen.«
Die Tür fiel zu, und ich stieg im dämmrigen Licht nach oben hinter Janos her, der sich derart durch die enge und steile Treppe quetschen mußte, daß ich gezwungen war, durch Drücken und Schieben nachzuhelfen.
Schließlich waren wir oben in einem kleinen Raum von nur ein paar Quadratmetern mit langen, schmalen Fensterluken auf drei Seiten, die fast bis zum Boden reichten. Wie van Horne uns versichert hatte, lag alles bereit, sauber auf einer Decke ausgebreitet. Die Flinte mit Munition, die Winchester, mehrere Mills-Bomben, und die Thompson-MP mit einem halben Dutzend Trommelmagazinen, die in einem sauberen Stapel daneben aufgeschichtet waren.
Janos ließ sich schwer nach Atem ringend auf eine Holzbank fallen. Wie üblich, rann ihm der Schweiß übers Gesicht. Er holte eine flache Flasche aus seiner Brusttasche, schraubte sie auf und nahm einen langen Schluck, während ich mir die Lage besah.
Einen kritischen Punkt gab es. Die
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