Kopfjagd
Feuer, aber er sagte kein Wort mehr, son dern gab das Signal, und die ganze Gruppe entfernte sich.
Ich riskierte es und streckte den Kopf zur Fensterluke hinaus, um ihnen nachzusehen, aber da erkannte ich, daß in etwa fünfzehn oder zwanzig Metern Entfernung Leute her umstanden, und zog mich eiligst wieder zurück.
»Er scheint Zuschauer gehabt zu haben.«
»Bei Gott, Sir, ich glaube allmählich alles«, stöhnte Janos.
Ich stieg die Wendeltreppe hinab, Janos folgte beträchtlich langsamer nach, und eilte zum Haupteingang, hielt aber in der Vorhalle an und spähte vorsichtig durch das scheibenlose Fenster hinaus.
Die Menge draußen begann sich zu zerstreuen. De la Plata und die Seinen ritten bereits zum Tor hinaus. Van Horne kam raschen Schrittes durch die Vorhalle und eilte an mir vorbei, als sei ich gar nicht vorhanden. Er zog sich das Meßgewand über den Kopf und warf es auf die nächste Bank. Dann legte er auch das Chorhemd ab.
»Toller Auftritt«, sagte ich, während sich auch Janos zu uns gesellte.
Van Horne sah mich an, in seinen Augen standen Zorn und Enttäuschung zugleich. »Und was hättest du an meiner Stelle getan, Keogh? Die Frau umgebracht?«
»Mach dir nichts draus«, wich ich einer Antwort aus. »Aber was soll dieser andere Unsinn? Diese Prozession mit der verdammten Figur? De la Plata hat recht. Nicht einer, kein Mann, keine Frau und kein Kind in diesem Ort, werden es wagen, mit dir mitzugehen.«
»Dann trage ich sie allein.«
»Und du hoffst, daß dir de la Plata persönlich in den Weg tritt? Darauf geht er doch nicht ein!«
Er gab mir keine Antwort. Aber in seinem Kiefer arbeitete ein Muskel heftig, und seine großen Hände ballten sich mehrmals. Etwas stand zwischen uns. Etwas, das sich nicht in Worte fassen ließ. Mir war das klar, und ich denke, ihm ebenso.
Ich trat nahe an ihn heran und sagte mit gedämpfter Stimme:
»Warum, van Horne? Warum?«
»Verdammt, Keogh, ich weiß doch die Antwort selbst nicht!« Er warf das Chorhemd von sich, drehte sich um und lief in die Sakristei.
Es gab nichts mehr zu sagen. Janos und ich gingen. Wir schlenderten zum Hotel zurück. In der Bar war nichts von Moreno zu sehen. Wir traten deshalb hinter die Theke und bedienten uns selbst mit Whisky.
»Und was nun?« fragte Janos.
»Fragen Sie mich nicht. Fragen Sie ihn!«
Er seufzte grämlich. »Wissen Sie was, mein Freund? Es sieht nicht gut aus. Es sieht überhaupt nicht gut aus.«
Er griff nach der Flasche und goß sich noch einen Drink ein. Ich ließ ihn damit allein und ging in den hinteren Hof, in dem der Mercedes stand. Ich fuhr mit ihm den Berg hinauf zur Kirche.
Die im Kirchturm zurückgelassenen Waffen waren mir eingefallen. In seiner jetzigen Stimmung könnte auch van Horne sie vergessen, und es war schon besser, sie an einen sicheren Ort zu bringen. Aber wahrscheinlich war der eigentliche Beweggrund für meine Fahrt zur Kirche mein Bedürfnis, noch einmal mit van Horne zu sprechen, aber ich hätte mich deshalb gar nicht zu bemühen brauchen – van Horne kam mir am Berg entgegen. Ich holte trotzdem die Waffen vom Turm. Ich verpackte sie wieder in die Blechkiste, trug diese zum Mercedes und legte sie in ihr Versteck unter den Rücksitz.
Ich ging noch einmal in die Kirche zurück, setzte mich auf eine Bank und sah zum Altar. Natürlich, ich konnte schon lange ohne Gott auskommen, aber trotzdem herrschte hier im Halbdunkel mit der leicht flackernden Kerze am Altar ein tiefer Friede.
Im Eingang erschien Victoria Balbuena. Sie blieb stehen, sah mich forschend an, und bedeckte sich automatisch den Kopf mit einem kleinen Tuch, das sie unter dem Kinn zusammenband.
Ich nahm ihre Hände und zog sie lächelnd zu mir herunter. »Siehst du? Ich überlebe alles.«
Wir konnten nicht weiter sprechen. Draußen rief jemand, Laufschritte waren zu hören, und dann stand van Horne in der Tür. In meiner Hand lag längst die Enfield.
»Die brauchst du nicht«, sagte er. »Es geht um Morenos Frau. Es geht ihr schlecht. Das Baby kommt nicht, und die Alte, die hier als Hebamme fungiert, scheint nicht mehr zu wissen, was sie tun soll.«
Ich saß sprachlos da. Aber er zog mich an der Jacke hoch wie nichts. »Lieber Gott, Junge, hast du nun vier Jahre Medizin studiert oder nicht?«
Als ich am Hotel vorfuhr, stand schon eine Menge von dreißig oder vierzig Menschen vor dem Haus. Denn schlechte Nachrichten verbreiten sich ja wie der Blitz.
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