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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Ich bat Victoria, mit mir zu kommen, und wir folgten van Horne, der uns mit Gewalt einen Weg bahnte.
      Im Schlafzimmer traute ich meinen Augen nicht. Mindestens ein Dutzend Leute drängelten sich dort, alles nahe Verwandte, die Frauen bereits in lautem Wehklagen begriffen. Moreno selbst stand mit Tränen in den Augen, die er nicht mehr zurückzuhalten imstande war, mitten in der Menge.
      Die beklagenswerte Frau auf dem Bett war mit einem Laken bedeckt und offensichtlich zu Tode erschreckt. Sie heulte hysterisch. Das alte Weib, das sich über sie beugte, offenbar die Hebamme, war ohne jeden Zweifel die schmutzigste Kreatur, die ich seit sehr langer Zeit gesehen hatte.
    »Schaff die Leute raus«, sagte ich zu van Horne. »Alle. Die
    Hebamme kann von mir aus bleiben, vorausgesetzt, sie wäscht sich die Hände. Sag ihnen, daß ich so schnell wie möglich heißes Wasser aus der Küche benötige und Seife.«
      Unter Protest räumte die Menge das Feld, obwohl Moreno seine Frau bereits für tot hielt. Jedenfalls stammelte er so etwas vor sich hin, als er rückwärts zur Tür hinausging.
      »Dann beten Sie für sie«, empfahl van Horne gelassen. »Beten Sie zum heiligen St. Martin de Porres um Hilfe.«
      Er schloß die Tür und ging dann schnell zu den Fenstern, die zur Terrasse hin offen standen, weil die Leute dort draußen laut zu werden begannen. Ich verstand nicht, was er zu ihnen sagte, vermutlich etwas Ähnliches wie zu Moreno. Auf jeden Fall brachten sie seine Worte zum Schweigen. Er kam wieder herein und schloß die Fenster.
      Jemand klopfte an die Tür. Victoria machte auf und kam mit einer Schüssel heißen Wassers und einem Block billiger Karbolseife wieder. Ich begann mir sorgfältig die Hände zu waschen und befahl der Hebamme, das gleiche zu tun. Ihre einzige Antwort bestand darin, daß sie die Arme hochwarf und hinausrannte.
      Ich zog das Laken vom Leib der Schwangeren zurück, schob ihre Knie hoch und untersuchte sie. Ich fand auch rasch den Grund für die Schwierigkeiten.
    »Weißt du noch, wie es geht?« fragte van Horne.
      Wir sprachen, um die werdende Mutter nicht noch mehr zu erschrecken, englisch. Ich erklärte: »Normalerweise sollte das Kind mit dem Kopf nach unten liegen. Das hier hat eine Steißlage. Das heißt, das Hinterteil befindet sich am Geburtsausgang, und so etwas kompliziert die Geschichte fürchterlich.«
    »Kannst du das hinkriegen?« fragte er drängend.
    »In der Theorie habe ich es jedenfalls mal gelernt.«
      Die Frau begann zu schreien. Ich beugte mich zu ihr und versuchte sie zu beruhigen. Viel half es nicht. Van Horne trat an ihre Seite und nahm ihre Hand. »Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen«, tröstete er sie. »Es wird jetzt bald vorbei sein, und dann haben Sie einen Sohn.«
      Da war wieder diese Überzeugungskraft in seiner Stimme. Mitgefühl, Liebe, wie immer man es nennen will, und Autorität. Das Geschrei der Frau verebbte in kleinen stockenden Schluchzern, aber sie ließ seine Hand nicht los und blickte mit grenzenlosem Vertrauen zu ihm auf.
      Ich nahm Victoria beiseite und erklärte ihr leise und rasch, was ich versuchen wollte und was sie dabei zu tun hatte, und machte mich ans Werk.
      Ich wollte die Frau so nahe an den Bettrand legen, wie es nur ging, um ihr und mir die Sache zu erleichtern. Wir nahmen sie in unsere Mitte. Das versetzte sie sofort wieder in Panik, und erst van Horne vermochte sie wieder zu beruhigen.
      In meiner Studienzeit hatte ich bereits bei einem halben Dutzend Geburten assistiert, allerdings waren das lauter normale Fälle gewesen. Nur ein einziges Mal hatte ich eine ebenso komplizierte Geburt beobachtet, und das war in einer Klinik gewesen. Aber immerhin wußte ich, wie man theoretisch ein Kind in Steißlage zur Welt bringt. Ich holte so tief Luft, wie es nur ging, und versuchte mich Schritt für Schritt an den Ablauf zu erinnern, – vermutlich hätte ich mich ebenso verhalten, wäre ich im Examen vor ein solches Problem gestellt worden.
    Die erste Aufgabe bestand darin, die Beine des Kindes in die richtige Lage zu bringen, dazu mußte man die Knie des Kleinen beugen. Ich tastete vorsichtig und stellte fest, daß die Beine ausgestreckt waren. Ich mußte also weiter hineingreifen, bis ich mit einem Finger ein Knie berühren konnte. Durch den Reflex beugte das Kind das Knie sofort und auch, als ich die Prozedur am anderen wiederholte, stellte sich der gleiche Erfolg ein.
      Señora Moreno

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