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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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stieß einen überraschten Schrei aus, und ihr Leib zuckte in Konvulsionen. Ich bat sie, nun heftig zu pressen. Und einen Augenblick später traten die Beine des Kindes von selbst aus.
      Victoria hatte ein Leinenlaken in Streifen gerissen und stand bereit. Ich hielt ihr die Hände hin, und sie säuberte sie rasch und trocknete sie ab. Ich wandte mich wieder um und begann mit der nächsten Phase.
      Ich umfaßte die Beine, drückte meine Daumen leicht aufs Kreuzbein, und zog, bis die Schultern erschienen. Die Arme waren jetzt ausgestreckt, aber ich erinnerte mich auch, wie man damit fertig wird. Ich drehte das Kind leicht nach links. Die Schulter beugte sich, und ich konnte einen Finger in den linken Ellbogen haken und den Arm herausziehen. Dann drehte ich das Kind in die andere Richtung und holte mit demselben Manöver auch den anderen Arm.
      Ich hielt inne, um Atem zu schöpfen. Van Horne fragte auf englisch: »Wie läuft es?«
      »Bis jetzt gut, aber die gefährlichste Phase kommt erst. Der Kopf. Das ist selbst mit Instrumenten riskant. Wenn nicht alles fehlerfrei abläuft, besteht die Gefahr, daß das Kind einen Gehirnschaden erleidet.«
      Das Entscheidende war, den Kopf ganz langsam und stetig herauszuarbeiten. An die Prozedur erinnerte ich mich genau. Ich schob meinen rechten Arm unter das Kind, stützte es also so mit meinem Unterarm.
      Dann legte ich den Mittelfinger meiner linken Hand auf den Kopf, um ihn zu drehen, und Zeige- und Ringfinger links und rechts auf beide Schultern und begann zu ziehen. Langsam, sehr langsam bewegte es sich. Dabei mußte ich aber so kräftig ziehen, daß mir der Schweiß in großen Tropfen auf der Stirn stand.
    Doch dann war der Kopf auch aus dem Geburtskanal getreten,
    und das Baby lag sicher in meinen Händen. Allerdings war sofort klar, daß es nicht atmete. Der ganze Körper war purpurrot angelaufen, als sei alles verschlossen und warte darauf, in Bewegung gesetzt zu werden.
      Ich versuchte es mit Klatschen und Klopfen auf den Rücken, aber das zeitigte kein Ergebnis. Ich nahm also ein Stück Tuch, das mir Victoria reichte, und reinigte Mund und Nase des Kindes von Schleim und Fruchtwasser. Das Herz schlug kräftig, also war damit alles in Ordnung.
      Ich blies sehr sanft und vorsichtig in den winzigen Mund. Und ganz plötzlich holte das Kind tief Luft, und es ertönte das schönste Geräusch der Welt – das Kleine begann zu weinen.
      Aus irgendeinem Grund weinte auch Victoria, nahm mir aber dennoch mit sicheren Händen den Jungen ab und hielt ihn, während ich mich um die Nachgeburt kümmerte und dann um die Mutter selbst.
      »Es ist ein Junge«, verkündete ich laut. »Falls es irgend jemanden interessieren sollte.«
      Van Horne nahm das Kind, das Victoria inzwischen sorgfältig in ein frisches Laken gewickelt hatte, und brachte es ans Bett. Ich hörte nicht, was er zu Señora Moreno sagte, dafür aber, was sie weinend und schluchzend stammelte: »Genau wie Sie es versprochen haben, Pater! Wie Sie versprochen haben.«
      Er legte das Baby neben sie, öffnete Fenster und Tür und trat auf die Terrrasse. Er machte sehr dramatische Worte, und von der Menge auf der Straße antwortete ihm dann auch ein befriedigter Aufschrei.
    Ich schien ziemlich überflüssig zu sein; ich beklagte mich auch gar nicht, denn das war ich im Moment tatsächlich. Ich stand auf, ging zur Tür, und gerade, als ich sie aufmachte, kam Moreno mit allen Weibern hinter ihm drein herein. Sie drückten mich einfach zur Seite und drängten ins Zimmer, mit genau dem Lärm, den man in einer solchen Situation erwarten kann, und ich überließ sie sich selbst und wandte mich meinem eigenen Zimmer zu.
      Gott, war ich müde, erschöpfter als seit vielen Jahren. Und doch auf seltsame Weise glücklich. Einmal wenigstens, schien mir, hatte ich Leben gebracht, statt es immer nur zu nehmen. Aber ich konnte auch nicht mehr richtig klar denken.
    Ich legte mich aufs Bett und starrte zur Decke. Die Tür öffnete sich, und Victoria kam herein. Sie setzte sich neben mich und glättete sanft meine Stirnfalten, bis ich allmählich in Schlummer fiel.

    12

    Als ich erwachte, war es völlig dunkel, aber der pulsierende Rhythmus von Musik schwang in der Luft. Gitarren und Maracas – Rumbarasseln –, dem Klang nach zu schließen. Und jemand sang. Ich war allein, keine Spur von Victoria, auch nicht, als ich mich hochsetzte, ein Streichholz fand und die Lampe anzündete. Meine Stiefel standen am

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