Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
casa, von der nur noch die Mauern standen. Dort hielt er seine Geiseln gefangen. Aber beim kleinsten Anzeichen eines Angriffs würden sie sofort getötet.
      Die Wirkung dieser Worte auf van Horne war beträchtlich. Das Fleisch auf seinen Knochen schien sich verflüchtigt zu haben, falls dergleichen möglich wäre. Das Gesicht selbst wirkte eingefallen. Er sah alt und müde aus und jenseits von allem, was jemals existiert hatte.
      Er wandte sich ohne ein Wort ab und ging in die Sakristei. Ich ließ Nachita stehen und folgte ihm. Er hielt eine Whiskyflasche in der einen Hand und ein Glas in der anderen. Seine Hand zitterte deutlich, als er sich einschenkte. Er goß den Whisky in einem Zug hinunter und gleich darauf einen zweiten.
    »Verdammt noch mal, Keogh, was tun wir jetzt?«
      »Ich weiß nicht«, entgegnete ich. »Das bedarf einiger Überlegung.«
      Seine Miene hellte sich plötzlich auf. Vermutlich eine erste rasche Wirkung des Alkohols. »Wir könnten es probieren. Du, ich und der Indio. Er kommt bestimmt mit. Wir könnten sie umzingeln, Keogh. Er hat bekanntlich nur noch fünf Leute.«
    »Wir kämen doch gar nicht nahe genug heran«, protestierte ich. »Ein Schuß würde genügen, und er würde sofort die meisten Geiseln umbringen.«
      Er wandte sich mir zornig zu. »Was, zur Hölle, macht dich da so sicher? Du hast noch nicht einmal die Lage bedacht. Dieser Regen ist eine perfekte Tarnung.«
      Aber das war Unsinn, und wir wußten es beide. Ich sagte: »Komm, gehen wir zum Tor und sehen uns dort einmal um.«
      Er entledigte sich seines Chorhemds, griff sich seinen Hut, und wir durchschritten die Kirche. Die Überraschung kam, als ich die Tür zur Veranda öffnete.
      Schlechte Neuigkeiten verbreiten sich rascher als Pest und Cholera. Ich glaube, buchstäblich jede lebende Seele des Ortes war hier im strömenden Regen versammelt. Dunkle, furchtsame Gesichter. Kein Laut. Kein offenes Klagen. Eine entmutigende Akzeptanz dieser ganzen verdammten Ereignisse als unausweichlichen Teil des Lebens.
      Einen Augenblick lang standen sie so, schien es, einander in Konfrontation gegenüber: van Horne und die Menge. Dann geschah etwas Seltsames von unendlicher Schönheit, und dabei doch auf seine Weise schrecklich.
      Eine alte Frau und ein junges Mädchen standen nebeneinander vorne in der Menge. Das Mädchen hielt ein in ein Tuch gewickeltes Bündel. Ihre dünne Bluse war völlig durchnäßt und klebte an ihren Brüsten. Ich erinnere mich daran sehr deutlich, aber auch an die große Traurigkeit in ihren Augen, als die alte Frau sie nachdrücklich nach vorne schob.
      Das Mädchen reichte van Horne das Bündel, der es ganz instinktiv entgegennahm. Sie sagte schlicht: »Kerzen, Pater. Für die Toten.«
      Sie fiel vor ihm auf die Knie, und fast alle anderen folgten ihrem Beispiel. Welch ein Bild! Das kniende Volk, der strömende Regen, der auf die Erde rauschte, und van Horne, wie er mit dem Bündel in der Hand auf das Mädchen herunterblickte!
    Er half ihr auf, und als er sprach, war seine Stimme ruhig und
    sanft, und sein Gesicht erleuchtete ein wunderbares Lächeln. »Komm herein, Kind, bleib nicht hier im Regen. Ihr alle, kommt herein!«
      Es war, als sei ich für ihn überhaupt nicht mehr vorhanden, denn er drehte sich um und ging zurück in die Kirche, ohne für mich auch nur noch ein Wort zu haben. Ich trat beiseite, und Nachita, der an der Wand gestanden hatte, kam zu mir. Die meisten Leute hier waren vermutlich seit Jahren in keiner Kirche mehr gewesen, und doch betraten sie sie jetzt ganz ruhig und selbstverständlich und ohne Hast. Die Frauen bedeckten ihre Köpfe.
      »Was haben sie dort drinnen vor, Señor?« fragte Nachita. »Wollen sie um ein Wunder beten?«
    »Das nehme ich an.«
      Er schüttelte den Kopf. »Mir fehlt der Glaube an solche Dinge. Und Tomas de la Plata fehlt er ebenfalls.«
      Das entsprach ziemlich genau meinen eigenen Gedanken. Ich drehte mich um, und wir gingen zusammen durch den Ort zum Haupttor.

    Die Sicht reichte kaum weiter als fünfzig oder sechzig Meter, so stark regnete es. Das Tor war geschlossen und verriegelt. Ich stieg deshalb auf die Mauer, um von dort Ausschau zu halten. Doch es war absolut nichts zu sehen.
      Etwas später kam auch Nachita herauf. Er überreichte mir einen Regenponcho, den er sich irgendwo beschafft hatte, und einen Sombrero aus Palmblättern. Ich nahm beides, obgleich ich bereits völlig durchnäßt war, und starrte

Weitere Kostenlose Bücher