KOR (German Edition)
schien diese Frage unangenehm zu sein. Sie faltete ihre behandschu h ten Hände, wobei sie antwortete: „Es ist besser, wenn Sie ihn das persönlich fragen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist nur so, dass dies eine Sache zwischen Whitehead und Chad ist. Ich möchte nicht darüber sprechen, ohne dass er etwas davon weiß.“
„Dem Verhalten dieser Hexe nach zu schließen, scheinen Sie davon wohl auch betroffen zu sein.“
Yuis Blick verfinsterte sich, als wäre plötzlich ein Schatten auf sie gefa l len. „Es ist offensichtlich, dass sie mich nicht leiden kann.“
„Wegen derselben Sache?“
Yui seufzte. „Wegen derselben Sache. Ich möchte nicht weiter darüber r e den. Bitte.“
„Ich verstehe Sie, Miss Okada. Aber wieso wehren Sie sich nicht gegen di e se Schikanierungen?“
Yui stampfte verärgert mit ihrem rechten Fuß auf. „Könnten wir bitte das Thema wechseln? Ich will nicht darüber reden. Ist Ihnen das nicht klar?“
Simon verwirrte ihr Aufbrausen. Er kam sich taktlos vor. Die Angelege n heit ging ihn wirklich nichts an. Seine Neugierde hatte dazu g e führt, dass er sich zu weit nach vorn gewagt hatte. Was hätte er anderes e r warten sollen? Yui Okada und er kannten sich nicht. Er würde auch keinem Fremden seine persönlichsten Geheimnisse anvertrauen.
Für ein paar Minuten standen sie sich schweigend gegenüber.
Völlig unerwartet begann Yui . „Julias aufdringliche Art führt dazu, dass ich mich ihr gegenüber jedes Mal unterlegen vorkomme. Ich fühle mich schlicht und ergreifend leer, wenn sie mich beschimpft. Mir fehlen die Worte, um mich zu verteidigen. Am schlimmsten war es, als sie einmal bei einem meiner Vorträge saß. Sie unterbrach mich immer wieder mit ihren dämlichen Krit i ken, bis ich schließlich völlig aus dem Konzept geriet. Danach hatte sie ab s truse Fragen gestellt, die ich nicht beantworten konnte und sich lächerlich über mich und meine Arbeit gemacht. Damals waren etwa fünfzig Leute a n wesend. Unter anderem auch Studenten von mir, was die ganze Sache noch peinlicher machte. Chad war damals nicht dabei. Er hatte ein Treffen mit ein paar Kollegen. Die Situation war vernichtend. Ich wäre am liebsten im Boden versunken.“
„Niemand hat Ihnen geholfen?“
Yui gab ein verächtliches Lachen von sich. „In der Wissenschaft ist jeder sich selbst am nächsten, Mr. R a dcliffe . Das müssten Sie eigentlich wissen. Keiner der Zuhörer trat für mich ein. Sie schienen meine Verzweiflung vie l mehr zu genießen.“
Julia Whitehead entpuppt sich also wirklich als eine Hexe, dachte Simon. „Das ist einfach widerlich. Die Frau wurde wahrscheinlich durch ihr ekelha f tes Verhalten sogar belohnt.“
„Ich weiß es nicht. Sie hatte ja nichts zu verlieren. Schließlich hatte sie keine Anstellung, sondern erhielt ihre Forschungsgelder von anderen Leuten.“
„Was noch immer der Fall ist“, bemerkte Simon. Seine Abneigung gege n über Julia Whitehead erhielt durch Yuis Erzählung einen neuen Höchstwert. „Mir hat diese Hexe schon beim ersten Anblick nicht gefallen. Ich halte sie für gestört. Was Sie mir gerade erzählt haben, bestärkt meinen Eindruck. Julias Beschimpfungen kommen mir vor, als wäre sie schizophren.“
„Ich versuche mir über sie keine Gedanken zu machen“, erklärte Yui. „Was manchmal nicht gerade einfach ist.“
Die Tür des Aufzugs öffnete sich mit einem sanften Zischen. Simon erwa r tete, dass Mason jeden Augenblick heraustreten würde. Der Soldat erschien nicht. Durch die offene Tür drang nichts anderes als das farblose Licht der Kabine.
„Hat er darin die Orientierung verloren?“, witzelte Simon. Er umrundete den Anhänger, um einen Blick in den Aufzug zu werfen. Er hatte nicht viel erwartet. Doch das, was er sah, spottete jeder nur denkbaren Möglichkeit. Er schrie auf und stolperte mehrere Meter zurück.
Yui eilte an seine Seite. „Was ist?“
Mit zitternder Hand deutete er auf die offene Aufzugskabine. An den Wä n den aus Spiegelglas klebte dunkelrotes Blut, das in dicken Linien h in unte r rann. Auf dem Boden lag ein unkenntlicher Haufen aus Fleisch und Kn o chen. Die Tür schob sich mit einem Zischen zurück und verbarg den grässl i chen Anblick vor seinen Augen.
„Was haben Sie?“ Yui schaute Simon hilflos an.
„Haben … Haben Sie das nicht gerade gesehen?“ Seine Stimme glich einem kraftlosen Flüstern. Der entsetzliche Anblick hatte sich tief in sein Hirn g e brannt.
„Was soll ich gesehen haben? Der
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